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Wenn es ein Problem gibt, das Weiterbildungsexperten in Unternehmen gleichermaßen umtreibt, dann ist es der Transfer des Gelernten in die Praxis. Von all den aufwändig gestalteten Entwicklungsprogrammen kommt zu wenig in den Unternehmen an. Das meiste wird vergessen, ignoriert, verwässert oder bleibt graue Theorie im Arbeitsalltag. Doch nun scheint endlich eine Lösung greifbar: Digitale Tools sollen den Durchbruch bringen. Ist diese Hoffnung berechtigt?
Transfererfolg? Meistens Fehlanzeige!
Schauen wir uns zunächst
die Realität in den Unternehmen an. Zahlreiche Experten weisen darauf hin, dass
nur ein Bruchteil der in Trainings vermittelten Lerninhalte tatsächlich in der
Praxis angewandt werden. So geht der amerikanische Transferforscher Robert O.
Brinkerhoff, der sich seit vielen Jahren mit der Messung von Trainingstransfer
beschäftigt, davon aus, dass nur einer von sechs Teilnehmern das Gelernte im
Alltag anwendet. Von den restlichen fünf probieren vier es aus, geben aber
schnell auf. Und einer versucht es erst gar nicht.
Diese magere Ausbeute
ist den meisten Trainern und Personalern durchaus bewusst. Doch statt den
Transfer bewusst zu planen und steuern, setzen sie zu oft auf das Prinzip
Hoffnung und verschleiern die Wirkungslosigkeit des Trainings. So fragen sie
zum Beispiel in den Feedbackbögen, von Forschern gerne auch „Happy Sheets“
genannt, die Zufriedenheit der Teilnehmenden ab. Leider sagt diese aber wenig
bis gar nichts über den Umsetzungserfolg aus. Denn „zufrieden mit dem Training“
heißt keineswegs „erfolgreich angewandt“. Tritt der misslungene Transfer doch
einmal offen zutage, schieben sich Trainer, Personalentwickler, Führungskräfte
und Teilnehmende gegenseitig die Verantwortung zu. Keine guten Aussichten für
nachhaltige Personalentwicklung.
Aber nun scheint Rettung
in Sicht: Technik soll alle Transferprobleme lösen! Digitale Tools und Methoden
bieten schließlich tausende Möglichkeiten, Training und Transfer zu
revolutionieren. Ist das wirklich so?
Ein spannendes
E-Learning oder aufregende technische Lösungen wie Virtual Reality können ein
Training tatsächlich bereichern. Im Hinblick auf die Stellhebel, von denen der
Transfererfolg abhängt, bewirken sie manchmal tatsächlich wahre Wunder. Jedoch
schaffen neue Technologien auch neue Hürden. Nicht jeder Teilnehmende kommt mit
Technik gut klar. Das Stichwort dazu
lautet „technical literacy“, also technische Kompetenze. Diese kann bei
Teilnehmern eines Trainings sehr unterschiedlich sein. Daher ist auch der
Zeitaufwand für die Einarbeitung unter Umständen hoch. Die weitverbreitete
Skepsis gegen alles Neue und Ungewohnte kommt hinzu – ein weiterer Stolperstein
für technikzentrierte Trainings. Außerdem lässt sich selbst mit der besten Technik das Falsche
messen: So sagen Clickrates oder die Zeitdauer, in der sich ein User mit der
Anwendung beschäftigt hat, wenig über das eigentliche Ziel aus, die
Verhaltensänderung am Arbeitsplatz.
Systematisch den Transfer steuern ist die Lösung
Was können die Trainer
und die Verantwortlichen in den Unternehmen nun tun, um die Transferquote zu
erhöhen? Sie sollten den Transfer bewusst steuern, statt darauf zu hoffen, dass
er von selbst passiert. Hierfür gibt es die zwölf Stellhebel der
Transferwirksamkeit (siehe Abbildung). Sie setzen in der Organisation, im
Trainingsdesign und bei den Teilnehmenden an. Durch entsprechende transferfördernde
Tools, die vor, während und nach dem Training greifen, lässt sich so die
Transferwirksamkeit systematisch managen und nachweislich steigern.
Unter den Stellhebeln,
welche die Teilnehmenden betreffen, sind Aspekte wie Transfermotivation,
Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Transfervolition.
Stellhebel im
Trainingsdesign sind Erwartungsklarheit, inhaltliche Relevanz, aktives Üben und
das Planen des Transfers.
Aber auch die
Entscheider in den Organisationen können einiges unternehmen, um den Transfer
zu erhöhen. Sie können beispielsweise
– ihre
Transfererwartungen klar beschreiben,
–
Anwendungsmöglichkeiten bieten,
– Freiraum schaffen,
damit Lernende mehr Kapazitäten für den Transfer haben,
– Vorgesetzte briefen,
die Lernenden im Transfer zu unterstützen sowie
– Peers ermutigen, den
Transfer von Lernenden zu unterstützen.
12 Stellhebel der Transferwirksamkeit (Quelle: Institut für Transferwirksamkeit)
Wie verschiedene Stellhebel den Transfer in Organistionen unterstützen können, lässt sich am Beispiel der Unterstützung durch Vorgesetzte, der Transferplanung und der Transfervolition illustrieren.
Unterstützung durch Vorgesetzte
Die Transferforschung
zeigt eindrücklich: Es wird den Lernenden nicht gelingen, neu erworbenes Wissen
in der Praxis anzuwenden, wenn die Vorgesetzen nicht mitspielen. Denn sie
müssen die Anwendung des Gelernten ermöglichen, fördern und einfordern. Im
Idealfall erklären die Führungskräfte vor dem Training die Ziele und besprechen
Anwendungssituationen, halten den Lernenden während des Trainings den Rücken
frei und sind nach dem Training für Veränderung offen, geben Feedback und
fordern die Umsetzung anhand von Aufgabenstellungen aktiv ein. Bewährt haben
sich hier beispielsweise Entsendungs- und Rückkehrgespräche oder auch
Transferprojekte.
Vorgesetzte können den Lerntransfer mit einfachen Fragen fördern. (Foto: Cowomen, Unsplash)
Die Forschung zeigt:
Bereits ein kurzes 15-minütiges Gespräch zwischen dem Teilnehmer und seiner
Führungskraft steigert den Transfererfolg signifikant. Vor dem Training klären
sie beispielsweise die Fragen: Was wollen wir mithilfe der Weiterbildung
erreichen – für das Unternehmen, das Team und den Mitarbeiter selbst? Bei
welcher Aufgabe kann der Lernende sein neues Wissen anwenden? Und wann
besprechen wir die ersten Umsetzungsfortschritte? Dank digitaler Tools lassen
sich solche Gespräche auch virtuell führen, gegebenenfalls direkt als Call aus
dem Seminarraum oder während eines E-Learning-Moduls. Das entlastet die
Vorgesetzten im Arbeitsalltag, trotzdem kommen sie natürlich nicht darum herum,
die Gespräche selbst zu führen.
In vielen Fällen regt
die Personalentwicklung diesen Austausch zwar an, er findet aber leider nicht
statt. Es fehlt den Vorgesetzen an Commitment. Die wichtige Rolle, die
Vorgesetzte für den Trainingserfolg ihrer Mitarbeiter spielen, ist ihnen nicht
bewusst. Es gilt daher, den Führungskräften vor Augen zu führen, wie
entscheidend ihr Beitrag ist. Sie müssen den Nutzen verstehen: Nur so holen sie
das Beste aus dem Training ihrer Mitarbeiter heraus! Schon mit zwei, drei
interessierten Fragen am Kaffeeautomaten ist nachweislich viel erreicht. Im
Grunde ist das Format der Gespräche recht einfach. Lange Leitfäden braucht es
nicht. Doch solange die Führungskräfte an Sinn und Zweck zweifeln, hilft die
beste Technik nicht weiter. Weder digital noch analog werden sie das Gespräch
suchen.
Transferplanung
Die Transferforschung
zeigt: Die Anwendung des Gelernten in der Praxis nimmt signifikant zu, wenn die
Teilnehmer ihre Transfervorhaben am Ende des Trainings detailliert planen.
Dabei geht es entgegen der verbreiteten Meinung nicht primär um das Planen klarer
Ziele. Viel wichtiger ist es, dass die Teilnehmer klare Handlungen festlegen,
die so genannten Handlungsintentionen. Eine solche könnte lauten: „Nachdem ich
mir am Montagmorgen meinen Kaffee geholt habe, frage ich Kollegin X um
Feedback.“
Das Planen der neuen
Handlungen ist entscheidend, denn in der Situation selbst fahren wir meist wie
auf Autopilot und machen das, was wir immer tun: Kaffee einschenken, Computer
hochfahren, Mails checken. Feedback einholen ist da längst vergessen.
Illusorisch ist es, vom Teilnehmer zu erwarten, dass er diese Handlungen im
vollgepackten Arbeitsalltag selbstständig plant. Was nicht im geschützten
Trainings-Setting geplant wird, wird nie geplant und damit nicht umgesetzt.
Direkt nach dem Training ist die Motivation hoch und der Lerner fokussiert.
Kommt er wieder im Arbeitsalltag an, ist er abgelenkt. Intentionen
verflüchtigen sich zu vagen Vorhaben und landen in der geistigen Ablage.
Konkrete Handlungsintentionen dagegen sorgen dafür, dass die Situation (Kaffee
einschenken) als Trigger fungiert und die neue Handlung automatisch auslöst,
ohne dass noch einmal kognitive Arbeit erforderlich ist. Studien von Peter
Gollwitzer und anderen Motivationsforschern zeigen, dass solche
Implementierungsintentionen die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung auf das
Doppelte bis Dreifache erhöhen. Aber eben nur, wenn wir die Handlung schon im
Motivations-High des Trainings sorgfältig planen.
Foto: Amy Hirschi, Unsplash
Auch der Stellhebel
Transferplanung funktioniert analog wie digital. Wir können
Handlungsintentionen in ein sogenanntes Entwicklungsbuch eintragen oder auf
eine Moderationskarte schreiben und mit
Transferpartnern besprechen. In der digitalen Variante lösen wir Aufgaben im E-Learning gelöst, posten die
Ergebnisse in einem sozialen Netzwerk oder üben etwas im virtuellen Raum. Ob
analog oder digital, entscheidend ist wieder weniger die Form, sondern
vielmehr, dass wir es umsetzen.
Transfervolition
Es geht um
Willensstärke, um das langfristige Dranbleiben. Hierzu gehört unter anderem,
sich immer wieder an das Transfervorhaben zu erinnern. Kleine Erinnerungen, in
der App-Sprache heißen sie Reminder und Notifications, sagen uns, „Hey, du
wolltest doch!“ oder „Es wäre wieder mal Zeit für!“. Solche Anstupser lenken unsere Aufmerksamkeit
wieder auf unsere Vorhaben und Aufgaben. Nicht umsonst erforschen und nutzen
App-Entwickler exzessiv solche Notifications.
Denn diese kleinen Trigger bleiben (erwünscht oder unerwünscht) so lange
im Gehirn aktiv, bis wir sie erledigt haben. Diesen Effekt beschrieb als erste
die russische Psychologin Bljuma Wulfowna Zeigarnik. Sie fand schon in den
1920er-Jahren bei Experimenten in Berlin heraus, dass Menschen unter bestimmten
Bedingungen unerledigte Handlungen besser behalten als erledigte. Dieser Effekt
wird heute als Zeigarnik-Effekt bezeichnet.
Im Trainingssetting
definieren die Teilnehmer ihre Reminder am besten selbst, beispielsweise in
Form von Erinnerungen an ihre Transferaufgaben und -intentionen. Dank
Digitalisierung bieten sich hier exzellente Möglichkeiten: In den E-Learnings
erinnern Nachrichten oder Termin-Erinnerungen an die selbstgewählten
Transferintentionen. Die analoge Variante wäre ein Erinnerungssymbol, das wir
aus dem Seminar mitnehmen und auf den Schreibtisch stellen oder in der
Hosentasche bei uns tragen.
Den Erfolg unserer
Umsetzungsvorhaben können wir digital oder analog tracken. Wir können zum
Beispiel in einer App eintragen, an wie vielen Tagen wir es schaffen,
Mitarbeiter um Feedback zu bitten. Wir können aber auch ein Maßband nehmen, von
dem wir an jedem erfolgreichen Tag ein Stück abschneiden. Wieder ist die Form
reine Geschmackssache. Die Hauptsache ist, dass wir den Stellhebel bedienen.
Wer dran bleibt, setzt Lerninhalte erfolgreicher um. (Foto: Jeremy Bishop, Unsplash)
Wie diese drei Beispiele
zeigen, können sich digitale Tools als hilfreich erweisen, um den
Transfererfolg zu fördern. In bestimmten Einsatzfeldern bieten sie zudem ein
besonders hohes Potenzial und große Vorteile. Beim Stellhebel „Aktives Üben“
beispielsweise ist das die Virtual Reality, die eine relativ realitätsnahe
Simulation von Notfällen im Seminarraum erlaubt. Beim Stellhebel
„Inhaltsrelevanz“ ermöglicht die Digitalisierung maßgeschneidertes und
bedarfsorientiertes Lernen auch bei hohen Teilnehmerzahlen. So lässt sich das
zeit- und kostenaufwändige Eins-zu-Eins-Lernen mit einem physischen Mentor am
Arbeitsplatz ersetzen. Und beim Stellhebel „Unterstützung durch Peers“
erschließen sich durch digitalisierte soziale Gruppen und Netzwerke neue und
zeitsparende Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen.
Fazit
Allein durch Digitalisierung
wird sich das Transferproblem nicht lösen lassen. Doch für alle, die wirksame
Trainings designen wollen, bieten digitale Technologien neue spannende
Möglichkeiten auf dem Weg zum Transfererfolg. Das Hauptziel ist, alle
transferrelevanten Stellhebel richtig zu adressieren. Ob wir dabei digitale
oder analoge Tools wählen oder einen smarten Mix beider Formen bevorzugen,
hängt von der Zielgruppe ab. Wie erreiche ich meine Teilnehmer am effektivsten?
Diese Frage sollte Trainings- und Transferdesigner bewegen und leiten. Nur so
wird am Ende das stehen, was sie anstreben: der wirksame Transfer.
Literaturtipp
Ina Weinbauer-Heidel:
Was Trainings wirklich wirksam macht. 12 Stellhebel der Transfer- wirksamkeit.
Tredition, Hamburg 2016, 36,90 Euro.
Ina Weinbauer-Heidel ist mit Leidenschaft an der Schnittstelle zwischen Transferforschung und -praxis tätig. Als Wissenschaftlerin, Autorin, Keynote-Speakerin, Universitätslektorin und Beraterin macht sie mit ihrem Institut für Transferwirksamkeit wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis nutzbar.