Light for the World: Internationale Personalarbeit mit Fokus auf Diversity und Inclusion

Christina Reiter im Interview

Light for the World unterstützt Menschen mit Behinderungen in sechs afrikanischen Ländern. Christina Reiter leitet die internationale Personalarbeit für die Organisation mit ihrem HR-Team in Wien. Welche Herausforderungen diese Arbeit mit sich bringt und welche Schwerpunkte ihre NGO im HR-Management setzt, erzählt sie im Interview.

Frau Reiter, was ist die Mission von Light for the World?

Wir unterstützen Menschen mit Behinderungen, insbesondere bei Sehschwächen, in sechs afrikanischen Ländern: Kenia, Mosambik, Uganda, Äthiopien, Burkina Faso und Südsudan. Wir organisieren gesundheitliche Versorgung, bieten Zugang zu Bildung und verbessern die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Menschen. Unser Verein ist spendenfinanziert. Die Spenden stammen von Privatpersonen, Institutionen wie WHO oder Unicef sowie Stiftungen. Fundraising ist für uns sehr wichtig. Zu diesem Zweck unterhalten wir Büros in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Tschechien, Belgien, Großbritannien und den USA. Weltweit beschäftigen wir 300 Mitarbeitende, die Hälfte davon in Afrika. Unter unseren Beschäftigten sind viele Menschen mit Behinderungen. Daher sind Inklusion und Barrierefreiheit für uns zentral.

Wie leben Sie Inklusion und Barrierefreiheit in der täglichen Arbeit?

Auf unterschiedliche Weise. Unsere Gremien und Teams sind divers besetzt. Zu unserem internationalen Managementteam gehören beispielsweise Führungskräfte aus Europa und Afrika. Aufgrund unserer internationalen Struktur arbeiten wir in vielen Fällen remote zusammen – und überlegen dabei genau, wie wir miteinander kommunizieren möchten. Da immer wieder Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigung an Meetings teilnehmen, sprechen wir langsam, damit Gebärdendolmetscher:innen mitkommen. Wir nutzen das Tool Transcript in MS Teams, um das gesprochene Wort live in Deutsch, Englisch, Französisch oder Portugiesisch zu übersetzen. So können die Teilnehmenden auch in ihren Landessprachen sprechen, was die Interaktion verbessert. Außerdem nehmen wir jedes Meeting auf, damit es später zur Verfügung steht.

Aktuell möchten wir in Europa mehr Menschen mit Behinderung einstellen – in Afrika sind wir in dieser Hinsicht schon weiter. Um unsere Ziele zu erreichen, arbeiten wir mit verschiedenen Institutionen und Organisationen zusammen, beispielsweise mit MyAbility und Specialisterne. Wenn wir Menschen mit Behinderung einstellen, besprechen wir zu Beginn immer sehr genau, was sie für die Arbeit bei uns benötigen, zum Beispiel einen Screenreader, einen extra großen Bildschirm oder persönliche Assistenzen.

Welchen Einfluss haben kulturelle Unterschiede auf Ihre tägliche Arbeit?

Diese Unterschiede gibt es – und wir beschäftigen uns regelmäßig damit, zum Beispiel in Trainings, in denen wir über konkrete Unterschiede sprechen: Was ist in der einen Kultur akzeptabel, in der anderen aber nicht? Was bedeutet Respekt für mich und für andere? Wir begegnen dem Thema aber auch über gemeinsame Werte, die wir vor Kurzem in einem interaktiven Prozess mit allen Mitarbeitenden beschrieben haben. Sie heißen „TRAIL”, das steht für „Together with Respect, Accountability, Inclusion and Learning”. Zu den Werten organisieren wir „Dedicated Value Months”, bei denen wir pro Monat einen Wert genauer betrachten: Was sind Verhaltensweisen, die wir gerne sehen möchten? Was sind Beispiele aus der täglichen Arbeit für diesen Wert?

Zusammenhalt schafft auch unser Purpose. Alle Teammitglieder sind stark durch den Purpose getrieben und haben ähnliche Wertvorstellungen. Das hilft uns sehr in der interkulturellen Zusammenarbeit. Denn auch wenn Probleme auftauchen, im Grunde verfolgen wir alle dasselbe Ziel.

Wie ist die internationale Personalarbeit organisiert? Was funktioniert zentral, was dezentral?

Das internationale HR-Team ist in Wien angesiedelt. Wir sind sechs Personen und erledigen die Personalarbeit für die europäischen Spendenbüros, die teilweise sehr klein sind. Darüber hinaus sind wir international für die rechtlichen HR-Belange aller Länder zuständig – von der Vertragsgestaltung über die Arbeitszeitregelung bis zu den Urlaubsregelungen. Für uns ist es sehr wichtig, in allen Ländern rechtskonform zu agieren.

In Afrika haben wir aktuell nur in einem Länderbüro, in Uganda, einen HR-Manager, in den anderen wird HR von Finance miterledigt. Aber wir möchten mehr HR-Verantwortliche für unsere afrikanischen Büros einstellen. Denn das lokale, kulturelle und arbeitsrechtliche Know-how ist wichtig für uns. Wir merken das zum Beispiel im Recruiting. Es gibt in jeder Kultur unausgesprochene Regeln: Wer darf zuerst reden? Welche Fragen darf ich im Interview stellen? Oder auch: Wer will mit wem zusammenarbeiten? Aber auch die Bedürfnisse der Beschäftigten unterscheiden sich teilweise von denen der europäischen Kolleginnen und Kollegen.

Inwiefern? Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir beschäftigen uns gerade mit Vergütung und Benefits – auch mit dem Ziel, unsere Attraktivität als Arbeitgeberin zu erhöhen. In Europa haben wir beispielsweise Anfang des Jahres das Pilotprojekt „Remote Work EU“ gestartet. Seitdem können alle Mitarbeitenden aus Österreich 30 Arbeitstage pro Jahr in einem beliebigen Land der EU arbeiten. Wenn wir mit diesem Projekt gute Erfahrungen sammeln, können wir das Angebot auf andere Länder ausweiten. Aber viele Leistungen, die wir in Europa haben, sind in Afrika nicht so relevant. Homeoffice zum Beispiel ist nur bedingt attraktiv für afrikanische Beschäftigte. Die Leute gehen gerne ins Büro, weil dort die Internetverbindung stabiler ist und weil es dort möglicherweise auch sicherer ist als zu Hause. Viel interessanter sind für unsere afrikanischen Kolleginnen und Kollegen private Krankenversicherungen, medizinische Behandlungen für die gesamte Familie oder Fahrtkostenzuschüsse. Diese Unterschiede müssen wir berücksichtigen.

An welchen Themen arbeiten Sie darüber hinaus in der Personalarbeit aktuell?

Wir planen aktuell ein Weiterbildungsprogramm für unsere Führungskräfte. Für sie ist es eine große Herausforderung, dass ihre Teams so verstreut sitzen. Zudem sind viele in ihre Rolle gekommen, weil die Organisation so schnell gewachsen ist. Es fehlt aber zum Teil an Tools und Werkzeugen. Wir möchten daher die Führungskräfte unterstützen, indem wir ihnen einerseits Wissen zu Prozessthemen vermitteln, beispielsweise zu ihrer Rolle im Recruiting, zu gesetzlichen Vorgaben oder den Verträgen, die wir nutzen. Andererseits wollen wir sie in ihrer Rolle stärken. Uns sind psychologische Sicherheit und psychische Gesundheit sehr wichtig, zumal unsere Teams häufig mit schwierigen Situationen konfrontiert werden. Führungskräfte müssen sie gut begleiten, Dialoge führen, Feedback nehmen und geben können. Um solche Themen soll es gehen.

Was sind die größten Herausforderungen für Ihre Personalarbeit?

Wir sind gerade dabei, unsere Strategie bis 2030 zu entwickeln – mit allen Mitarbeitenden, Manager:innen, Board Members, internen und externen Fokusgruppen. Dabei haben wir fünf Schlüsseltrends identifiziert und diskutiert: digitale Transformation, Dekolonialisierung, Klimakrise, globale Gesundheitskrise und der Druck auf die Zivilgesellschaft, der die Arbeit von NGOs erschwert. Alle fünf Trends bergen Herausforderungen. Wir haben zu jedem einzelnen Szenarien entwickelt und erstellen mit international besetzten Teams Aktionspläne für die nächsten fünf Jahre.

Welche Aufgaben haben sich daraus für die HR-Arbeit ergeben?

Ein großes Thema für uns ist die Personalentwicklung, vor allem bezogen auf Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Tools. Darüber hinaus müssen wir die Kollaboration weiter stärken. Hier geht es zum Beispiel darum, wie wir noch besser zusammenarbeiten und auf mögliche Krisen gut reagieren können. Das dritte Thema, das uns beschäftigen wird, ist das Engagement der Teammitglieder. Denn alle fünf Trends können negative Auswirkungen auf uns oder auf NGOs generell haben. Daher wird es wichtig sein, das Engagement hochzuhalten.

Bevor Sie zu Light for the World kamen, haben Sie für eine Beratung und für ein großes Wirtschaftsunternehmen gearbeitet. Was hat sie motiviert, zu einer NGO zu gehen?

ir war zum einen wichtig, eine sinnvolle Tätigkeit zu haben – und bei Light for the World weiß ich, wofür ich arbeite. Der zweite Grund ist, dass ich etwas lernen wollte. Ich war noch nie in einer internationalen NGO, habe noch nie mit Afrika zusammengearbeitet. Für mich waren beide Aspekte sehr reizvoll.

Interview: Bettina Geuenich

Dieser Artikel stammt aus der personal manager Ausgabe 4/24

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Bettina Geuenich

Chefredakteurin bei personal manager
Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift und des Blogs personal manager. Sie beobachtet seit über 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.