Thomas Gernbauer ist Geschäftsführer und CMO von Acadybot GmbH, einem Startup aus Linz, das KI-basierte Bots für die Weiterbildung entwickelt. Im Interview beschreibt er die Potenziale, die Bots für das Lernen bieten, und die Grenzen, an die sie derzeit noch stoßen.
Herr Gernbauer, welche Arten von Bots kommen heute schon
in der Weiterbildung zum Einsatz?
Im Grunde lassen sich zwei Typen von Bots unterscheiden: Recht verbreitet sind heute schon Bots, die ein vorgegebenes Set von vorgegebenen Fragen und Antworten wiedergeben. Einen Schritt weiter gehen Bots, die auf Basis von Maschinenlernen und Natural Language Processing (NLP) Daten analysieren und selbstständig Antworten anbieten.
Könnte ich diese Antworten nicht genauso gut in einem guten Skript finden?
Möglicherweise schon. Aber der Bot kann für
Sie zu einer Art Lernbegleiter werden. Er spricht sie ja aktiv an – zum
Beispiel, wenn Sie auf eine Website gehen. Da er als Figur dargestellt wird,
die einen Namen und bestimmte Züge hat sowie teilweise auch einen eigenen
Sprachstil, bauen Sie eine Art Beziehung zu ihm auf. Der Bot motiviert sie, bei
der Sache zu bleiben. Er schickt Ihnen beispielsweise Push-Nachrichten auf Ihr
Handy, um Sie daran zu erinnern, dass Sie bereits zwei Tage nichts mehr gelernt
haben. Dabei entspricht er unserem
Kommunikationsverhalten. Denn immer mehr Menschen chatten über Messenger
Apps.
Hinzu kommt: Das Skript mit den
Lerninhalten habe ich nicht immer zur Verfügung – schon gar nicht am Handy, wenn
ich im Bus sitze. Daher gehen Bots einen Schritt weiter, indem sie eine intelligente
Suche anbieten. Sie als Lernende stellen zum Beispiel eine Frage – und der Bot
bietet Ihnen dazu drei oder vier Informationshappen an. Dann schauen Sie,
welche die beste Antwort für Ihr Problem ist und spiegeln das zurück. Im besten
Fall lernt der Bot dann wiederum aus dieser Rückmeldung.
Können
Sie an einem Beispiel beschreiben, wie ein Bot lernt?
Bekannt wurde ja der Bot „Jill Watson“, den
Professor Ashok Goel am Georgia Institute of Technology entwickelt hat. Watson
betreut Studierende in Online-Foren. Der Bot basiert auf der IBM Watson
Plattform für künstliche Intelligenz. Goel hat ihn anhand von 40.000 bisher
gestellten Fragen „trainiert“. Das heißt, er hat ihm diese Daten eingespeist. Goel
gelang es, dem Bot auch die Fähigkeit zu vermitteln, den Kontext einer Frage zu
erkennen, indem er ihn mit den entsprechenden kontextuellen Zusammenhängen
„fütterte“. Erst dann beantwortete der Bot die meisten Fragen richtig. Denn der
Kontext ist ja entscheidend. Nehmen wir den Begriff „Roadmap“. Dieser bedeutet
im Kontext von Innovationsprojekten etwas ganz anderes als beispielsweise im Zusammenhang
mit Reisen und Mobilität. Daher ist die Fähigkeit, Fragen kontextuell
zuzuordnen, ein sehr großer Schritt in der künstlichen Intelligenz.
Wie individuell können Bots auf Lernende eingehen?
Wir können über Bots etwas über unser
persönliches Lernverhalten erfahren. Denn das kann ein Bot tracken: Wie ist
mein Lerntempo? Wie oft lerne ich? Was lerne ich? All dies lässt sich im
Vergleich zu anderen Lerngruppen auswerten. Ein Bot kann auch herausfinden, was
mich interessiert, und könnte mir personalisierte Inhalte vorschlagen, die sich
mit ähnlichen Themen beschäftigen. Das ist so, wie uns Facebook oder Amazon
Inhalte oder Produkte zeigen, die zu unserem Nutzerverhalten passen. Jetzt kann
man natürlich darüber diskutieren, ob das gut ist, wenn wir uns laufend im
Umfeld der gewohnten Themen bewegen. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Was
lässt sich gut mit Bots trainieren?
Bots eignen sich sehr gut, um Fachwissen zu
trainieren – insbesondere für Mikro-Häppchen von Wissen, die wir uns
zwischendurch aneignen können. Das können Grundlagen der Betriebswirtschaft
sein oder vergleichbare Inhalte. Den Bot können Sie zum Beispiel drei Monate
vor einem Seminar zur Verfügung stellen und zur Vorbereitung anbieten – oder später
für Wiederholungen nutzen. So können Unternehmen unter Umständen Zeit und Geld
sparen, weil sich Seminarzeiten verkürzen lassen.
Aber es gibt auch ganz andere Anwendungsbereiche, die stärker in die Persönlichkeitsentwicklung gehen. Es gibt heute schon Coachingbots wie Woebot.io oder Therapeutenbots wie Wysa.io, die aufgrund der Kommunikationsinhalte erkennen können, wie es Menschen geht, um dann passende Angebote zu machen. Da kommt eine riesige Automatisierungswelle im Coaching- und Trainingsbereich auf uns zu.
Wo
stoßen Bots heute noch an ihre Grenzen?
Bots sind vielfach noch nicht so weit, wie
wir uns das wünschen. Denn es ist sehr aufwändig und ressourcenintensiv, eine
künstliche Intelligenz zu entwickeln und zu trainieren. Eine große
Herausforderung sind daher auch die thematischen Grenzen, in denen sich Bots
bewegen. Gerade in der Weiterbildung ist es aber wichtig, weiterführende Fragen
der Lernenden beantworten zu können, die über den aktuellen Stoff hinausgehen.
Hier stoßen die meisten künstlichen Intelligenzen noch an Grenzen.
Welche
Szenarien sind bezogen auf den Einsatz von Bots in der Weiterbildung künftig
denkbar?
Die Entwicklungen gehen aus meiner Sicht in
Richtung digitaler Lehrer. Es gibt heute schon Bots, die Reaktionen von
Menschen analysieren und darauf reagieren können. Dafür setzen sie Kameras ein,
die Emotionen von Gesichtern ablesen können. Anschließend wählt der Bot die
passende Reaktion, indem er zum Beispiel fragt: „Überrascht dich die Antwort?“
Oder: „War das nicht die richtige Antwort?“
Bots werden darüber hinaus immer stärker an
Zielgruppen angepasst werden, zum Beispiel an Rentner oder Schüler. Wir arbeiten
beispielsweise mit einem Partner an einem Projekt, das Kindern helfen soll, Legasthenie
zu überwinden. Dafür gibt es einen eigenen Coaching-Prozess mit einer
bestimmten Fragenstruktur. Es geht darum, herauszufinden, wie das Kind reagiert,
um daraufhin die nächste Frage zu formulieren. Das ist alles machbar – nur eine
Frage der Ressourcen.
Interview: Bettina Geuenich