Coca-Cola HBC Österreich hat die Corona-Krise genutzt, um ein schon länger geplantes Projekt auf den Weg zu bringen: Mit dem „Opportunity Marketplace“ will der Getränkehersteller Talente und Know-how für anstehende Projekte gewinnen. Bettina Augeneder, HR Director bei Coca-Cola HBC Austria, beschreibt im Interview, wie die digitale Plattform funktioniert.
Frau Augeneder, wie hat sich die Corona-Krise bisher auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
Die Situation rund um COVID-19 hat uns – wie viele andere – vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Durch diese wesentliche Veränderung der Rahmenbedingungen für Gastronomie, Hotellerie, aber auch den Event-Bereich haben sich unsere Arbeitsschwerpunkte in Richtung des Handels sowie der digitalen Vertriebskanäle verschoben. Auch die Lieferplattformen haben an Bedeutung gewonnen. Damit verbunden haben wir unsere Ressourcen verstärkt in diesen Bereichen gebündelt und sind neue, starke Partnerschaften eingegangen. Initiativen, die uns neue Chancen am Markt eröffnet haben.
Vor diesem Hintergrund haben Sie den Opportunity Marketplace initiiert. Was steckt dahinter?
Beim Opportunity Marketplace geht es im Prinzip darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, sich andere Themen anzueignen, in Themen und Projekte hinein zu schnuppern und Ideen einzubringen. Die Plattform haben wir mit anderen Länderniederlassungen entwickelt und sie wird auch länderübergreifend genutzt. Dahinter steht ein Demand-Supply-Management. Einerseits gibt das Tool Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, ihre Profile hoch zu laden und anzugeben, wofür sie sich interessieren, was ihre Stärken sind und was sie erleben möchten.
Andererseits kann jeder, der an Projekten arbeitet und Mithilfe braucht, diese ausschreiben. So sehen die Mitarbeiter, was es angeboten gibt. Und wenn ich ein Projekt ausschreibe, kann ich alle Profile durchschauen und die Leute zusätzlich anschreiben. Das ist ziemlich intuitiv und einfach. Natürlich hat jeder auch die Chance, Anfragen abzulehnen, wenn es zeitlich oder aus anderen Gründen nicht passt. Das Ganze basiert auf Freiwilligkeit.
Welche Ziele verfolgen Sie mit der Plattform?
Die Plattform bietet uns die Möglichkeit, Ressourcen agil zu managen und die gesamte Workforce auszubalancieren. Aber sie dient auch einer neuen Form der Personalentwicklung. Wir sind davon überzeugt, dass sich die Art der Karriereentwicklung in Zukunft verändern wird. Denn Karrieren verlaufen ja nicht mehr nur linear nach oben, da die Hierarchien in den Unternehmen immer flacher werden. Stattdessen sehen wir den Trend, dass es in der Talente- und Karriereentwicklung auch um das Sammeln von Erfahrungen geht, die Menschen für neue Themen qualifizieren.
Diese Möglichkeit über die virtuelle – und hoffentlich später auch wieder physische – Zusammenarbeit zu schaffen, ist ein wichtiges Ziel der Plattform. Über sie können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an lokalen Projekten mitarbeiten, aber sich auch international vernetzen. Wir können also auf diesem Weg auch wertvolles Know-how und Expertise von Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland für bestimmte Themen gewinnen. Der Opportunity Marketplace gibt uns insgesamt einen Zugang zu Menschen, die wir vorher nicht so sehr auf dem Radar hatten. Denn jeder kann dort mitmachen. Das ermutigt dazu, die eigene Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen und fördert Kreativität und Co-Creation.
Können Sie Beispiele für Projekte geben, die über den Opportunity Marketplace ausgeschrieben wurden?
Wir haben ein Projekt eingestellt mit dem Titel „Mein perfektes Remote Working“. Hier geht es darum, gemeinsam zu erarbeiten, wie wir die digitale Kollaboration verbessern können. Wir haben von HR-Seite schon diskutiert, wie das Büro der Zukunft ausschaut und welche innovativen Möglichkeiten es hier für die Zukunft geben könnte. Aber wir wollten das Thema mit der Belegschaft besprechen – und natürlich ist dabei die Ideenvielfalt viel größer. Der positive Nebeneffekt ist, dass wir – je nach Größe des Projekts – auch gleich ein paar Ambassadors dabei haben, die intern Überzeugungsarbeit für Veränderungen leisten. Und so gelingt es auch viel leichter, den Betriebsrat zu überzeugen und einzubinden.
Ein anderes Thema, das wir über den Opportunity Marketplace gesteuert haben, ist das Hochschulmarketing im Bereich des Employer Brandings. Wir haben gefragt, welche Kolleginnen und Kollegen Lust haben, Kontakte zu Hochschulen oder Fachhochschulen zu pflegen – möglicherweise zu denen, die sie selbst besucht haben –, um Kontakte zu künftigen Absolventinnen und Absolventen und Trainees zu bekommen. Früher haben wir hier immer die „üblichen Verdächtigen“ angesprochen. Sobald wir es aber in den Opportunity Marketplace gestellt haben, bekamen wir Kontakte zu Hochschulen, zu denen wir früher gar keinen Zugang hatten.
Wer darf Projekte einstellen? Gibt es hier Limitierungen?
Projekte einstellen dürfen alle, die Unterstützung brauchen. Aber auch alle, die mehrere Meinungen einholen und Projekte auf eine breitere Basis stellen wollen. Wir haben gesehen, dass man das Tool ganz vielfältig nutzen kann. Wir haben beispielsweise seit September einen neuen General Manager. Damit es für ihn leichter ist, die verschiedenen Bereiche des Unternehmens in allen Tiefen kennen zu lernen, haben wir Mitarbeitenden über den Opportunity Marketplace die Möglichkeit geboten, ihren Bereich dem General Manager in einer Stunde näher zu bringen. Sie konnten erzählen, was sie machen und was die Herausforderungen ihrer Arbeit sind. Auch die Employee Benefits haben wir darüber neu definiert. Wir wollten sie überarbeiten – und haben dazu ein Projekt gestartet, an dem sich Mitarbeitende aus allen Fachbereichen beteiligen konnten.
Wie haben Sie den Marktplatz bekannt gemacht?
Wir haben im Juni 2020 gestartet mit einem Silent Launch, bei dem wir alles erst einmal getestet haben. Dann haben wir begonnen, Projekte zu posten und mit unserer Kommunikationsabteilung im Intranet und bei Meetings auf die Plattform aufmerksam zu machen. Unsere HR-Businesspartnerinnen haben das Tool in den Abteilungen vorgestellt. Es gab ein großes Banner in unserem Personalsystem, das die Leute für Urlaubsanträge und ähnliches nutzen. Mit ersten Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmern haben wir kurze Videos gedreht, in denen sie berichtet haben, wie die Plattform funktioniert.
Wir haben also insgesamt alle Kanäle genutzt, die uns zur Verfügung stehen. Vor allem aber haben wir regelmäßig daran erinnert. Denn es braucht schon ein bisschen – und es ist wichtig, immer wieder aufmerksam zu machen. Mittlerweile merken wir aber, dass die Leute die Plattform zunehmend gut annehmen. Wir haben rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und 100 davon haben bereits ein Profil. Das ist für so eine kurze Zeit ein recht guter Wert.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft bezogen auf den Opportunity Marketplace?
Wir werden ihn auf jeden Fall weiter nutzen und ausbauen. Und ich denke, wir können noch kreativer werden in der Frage, für welche Projekte wir das Tool nutzen. Es müssen nicht unbedingt nur lange Projekte sein, sondern möglicherweise auch kleinere Vorhaben. Noch mehr fördern könnten wir auch die länderübergreifende Zusammenarbeit, um den gesamten Pool von 28 Ländern und knapp 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu nutzen und gemeinsam weiter nach vorne zu kommen. Natürlich können wir über das Tool unser Workforce Management ausbalancieren. Ich persönlich finde aber den Weiterbildungsaspekt und das Vorantreiben der eigenen Karriere viel wichtiger. Aber auch das Verfolgen von Themen, die mir am Herzen liegen, ganz unabhängig von Karrierefragen. Ich glaube auch, es ist ein cooles Tool für das Employer Branding. Die Österreicherinnen und Österreicher sind keine physisch sehr mobile Gesellschaft. Aber das Tool bietet eine gute Möglichkeit, sich standortübergreifend und sogar international zu betätigen.
Interview: Bettina Geuenich