Mit überzeugenden und mitreißenden Geschichten können Unternehmen auf der Suche nach neuen Mitarbeitenden punkten. Doch wie gelingt das Job-Storytelling so, dass es authentisch und ansprechend ist?
Storytelling bedeutet, eine Geschichte zu erzählen, die das Publikum zum Mitdenken und Mitmachen anregt. Es geht darum, Informationen so aufzubereiten, dass sie nicht nur gehört, sondern mit allen Sinnen erlebt werden können. Das Ziel ist, beim Gegenüber eine emotionale Reaktion hervorzurufen. Wir erzählen also nicht über den Job, indem wir detailliert Fakten auflisten, sondern lassen Interessierte in die Arbeitswelt eintauchen, indem wir Geschichten aus dem Job-Alltag zeigen und erzählen. So kann Nahbarkeit und Identifikation entstehen.
Unternehmen können mit Storytelling emotionale Aspekte der Arbeit wie Teamspirit, Spaß und Spannung transportieren, aber auch die Werte der Organisation vermitteln. Diese vermeintlich weichen Faktoren darzustellen, die in traditionellen Jobinseraten eher nicht auftauchen, wird immer wichtiger. Denn bevor sich Menschen für einen neuen Job entscheiden, möchten sie Belege dafür haben, dass sich ein Wechsel für sie lohnt und das Unternehmen wirklich zu ihnen passt.
Aus diesem Grund bevorzugen Jobsuchende neben klassischen Jobbörsen „Empfehlungen von Freunden, Bekannten und Mitarbeiter:innen“. Zu diesem Ergebnis kommt der Jobselling Report 2022, für den das Unternehmen marketagent im Auftrag von lifeCreater Consulting 750 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich befragt hat. Statt klassischen Bewerbungsgesprächen ziehen die Befragten „Kennenlern-Einladungen“ vor, um Führungskräfte, Kolleginnen und Kollegen sowie das Arbeitsumfeld persönlich zu erleben. Vertiefende Interviews zeigen, dass das Bedürfnis nach Sicherheit und Vertrauen unter den Arbeitnehmenden in den letzten Monaten massiv zugenommen hat – und Menschen oft davon abhält, einen Job zu wechseln. Dieses Vertrauen herzustellen, ist ein zentrales Ziel im Job-Storytelling.
Was bedeutet das im HR-Kontext?
Gehen Sie bei der Darstellung einer freien Position im Unternehmen über das reine Jobprofil hinaus. Beschreiben Sie Ziel und Sinn der Tätigkeit ebenso wie die Herausforderungen, die damit verbunden sind. Stellen sie Kundinnen und Kunden, Kollegen und Vorgesetzte vor. Geben Sie dabei einen Einblick in die Art der Zusammenarbeit und den Firmenspirit. Beschränken Sie sich nicht auf eine Aufzählung, wie früher üblich, sondern erzählen Sie eine Geschichte, die Menschen begeistert. Spannen Sie einen dramaturgischen Bogen und denken Sie dabei an ein packendes Märchen aus der Kindheit oder an Ihre liebste Serie, bei der Sie sicher nicht mittendrin aufhören wollen, weil die Geschichte so spannend aufgebaut ist. Ihr Ziel sollte sein, die Herzen der „Potentials“ über Geschichten zu erreichen.
Was erreichen gute Job-Stories?
Es geht nicht länger darum, sich als bester Arbeitgeber oder beste Arbeitgeberin zu präsentieren: Im Job-Storytelling ist es essenziell, authentisch und ehrlich zu sein.
Die Qualitätskriterien sind:
- Wir geben vertiefende Einblicke in die Arbeitswelt und schaffen Anknüpfungspunkte für Interessierte.
- Unsere Arbeitskultur wird erlebbar, weil wir eine reale „Employee Experience“ zeigen.
- Aufgaben und Herausforderungen werden nachvollziehbar, weil wir uns direkt in die Arbeitswelt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begeben.
- Wir heben Sinn und Zweck der Aufgabe hervor.
- Die Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber werden klarer, was wiederrum die Selbsteinschätzung verbessert und Unpassende von einer Bewerbung abhält.
Sehr wertvolle Resultate können Unternehmen mit Job-Storytelling erzielen, wenn emotionalisierende Job-Stories weitererzählt werden, was vor allem in persönlichen Netzwerken von Mitarbeitenden geschieht. So fördert Storytelling nicht nur eine höhere Identifikation von Bewerbenden mit dem Unternehmen, sondern auch die Bindung der Mitarbeitenden an die Organisation. Die Vorgesetzten bekommen schlussendlich das ideale Personal: Angestellte mit einem hohen „Cultural und Professional Fit“.
Wie kommt man zu einer guten Job-Story?
Die besten Geschichten schreibt in diesem Fall das Arbeitsleben. Autoren begeben sich dorthin, wo es in einer Tätigkeit herausfordernd wird. Dort lässt sich dann durch Beobachten und Befragen der Stoff für eine Job-Story sammeln. Je nach Verwendung wird das jeweilige Format in der passenden Form erstellt. Stark im Kommen sind Videos im Job-Storytelling. Für die Suchmaschinen-Optimierung wird Bewegtbild immer wichtiger und von Google höher gerankt. Aber hier ist es wie bei guten Filmen: die Reichweite wird von der dramaturgischen Umsetzung bestimmt. Geschichten mit Tiefgang, die berühren, Darsteller, die auch Ecken und Kanten haben und eine kreative bis künstlerische Umsetzung erreichen eine weit höhere organische Teilungsrate als generische Formate von der Stange, für deren Verbreitung Unternehmen bezahlen müssen. Die Umsetzungsform sollte zur Zielgruppe und zum Medium passen. Es müssen nicht immer aufwendige Videos sein. Auch Erzählungen in Textform, Bildgeschichten, Comics oder Podcasts sind adäquate Medien.
Wo kommen Job-Stories zur Anwendung?
Job-Stories unterstützen bei der Suche nach Führungspersönlichkeiten ebenso, wie sie dazu beitragen können, Berufsanfänger*innen anzusprechen. Gerade bei letzteren sind Job-Stories jedoch womöglich besonders relevant. Denn da die Berufswahl für junge Menschen nach der Schule nicht einfach ist, kann Storytelling dabei helfen, Ausbildungsberufe und Unternehmen auf eine packende und zugleich einfach konsumierbare Art und Weise vorzustellen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist ein Video des Unternehmens MAN, das Einblicke in die Produktion mit ihren Menschen und Ausbildungsmöglichkeiten in eine „Love Story“ verpackt. Ähnlich mitreißend präsentieren sich der Stromversorger Austrian Power Grid und das Energieunternehmen Verbund den angehenden Lehrlingen im Videoformat. Einen etwas anderen Weg geht die Wiener Städtische mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Jobgame „Check die Lehre“.
Einbetten lassen sich diese Job-Stories überall dort, wo angehende Mitarbeitende mit dem Unternehmen Kontakt haben:
- Auf Firmen-Websites bieten Job-Stories die Möglichkeit, das Unternehmen kennen zu lernen.
- Auf Jobportalen lassen sich Stellenanzeigen und Unternehmensprofile mit Job-Stories anreichern. Dabei führen Verlinkungen zu Youtube-Playlists, zur Landingpage des Unternehmens oder zu Podcasts.
- Auf Social Media können Job-Botschafterinnen und -Botschafter Kurz-Stories teilen und ersetzen damit unter Umständen Stellenanzeigen.
- In Print- und Online-Medien können Geschichten aus dem Arbeitsleben in Inseraten oder Advertorials Personen erreichen, die nicht die Karriereseiten lesen.
- Bei Events ist Storytelling ein tragendes Element, um das Interesse der Teilnehmenden zu wecken.
- Eine Sonderform sind Job-Adventures wie das Jobgame „Check die Lehre“. Dabei lernen die Teilnehmenden interaktiv und spielerisch typische Aufgaben und Fragestellungen eines Jobs kennen.
- In Bewerbungs-Interviews können speziell dafür aufbereitete Geschichten zu echten Herausforderungen für Kandidatinnen und Kandidaten werden, bei denen sie ihre Lösungskompetenz unter Beweis stellen können.
- Im Onboarding und in der internen Kommunikation ergänzen Job-Stories formale Kommunikationsformen, weil sie mehr als nur sachliche Inhalte transportieren und daher auch die Wahrscheinlichkeit signifikant steigt, ein konkretes Kommunikationsziel zu erreichen.
Fazit
Job-Storytelling ist ein neuer Zugang im HR-Management, um authentische und ehrliche Beziehungen zu knüpfen: zu Mitarbeitenden, Bewerbenden, Job-Botschafterinnen und -Botschaftern sowie der Öffentlichkeit. Sie wird gerne als „Königsdisziplin“ bezeichnet, da sie viel Feingefühl, Tiefgang und emotionale Kompetenz der Autoren und Kreativen erfordert. Fakt ist: die Arbeitskultur eines Unternehmens erlebbar zu machen, ist ein enorm wichtiger Beitrag für eine langfristig erfolgreiche Personalstrategie und die Benefits von professionellem Job-Storytelling sind so vielseitig wie wertvoll.