Seit Mitte 2019 können Mitarbeiter von HousingAnywhere, einer Mietplattform für international Studierende und Young Professionals, selbst entscheiden, ob sie an einem gesetzlichen Feiertag oder lieber an einem anderen Tag freinehmen – sei es aus religiösen, kulturellen oder privaten Gründen. Wir haben mit Djordy Seelmann, dem Geschäftsführer von HousingAnywhere, darüber gesprochen, wie die neue Regelung ankommt und welche Erfahrungen er und sein Team in den vergangenen Monaten damit gesammelt haben.
Seit einem halben Jahr können die Mitarbeiter von Housing Anywhere ihre Feiertage selbst wählen. Was sind die Gründe für die neue Feiertagsregelung?
Wir sind ein junges internationales Unternehmen und den Stein ins Rollen brachte eine Erinnerung der Personalabteilung zu Christi Himmelfahrt. Daraufhin habe ich mit einigen Managern diskutiert, warum wir diesen Feiertag feiern. Eine kurze Recherche ergab, dass es in den Niederlanden keine Vorschrift gibt, genau die nationalen Feiertage zu nutzen. Also haben wir uns überlegt, die sieben Tage zusätzlich zum Urlaub zu addieren, sodass jeder freiwillig wählen kann, wann er frei nehmen will. Darüber haben wir das gesamte Team abstimmen lassen und unsere Mitarbeiter waren ohne Ausnahme dafür.
Warum haben Sie sich für sieben zusätzliche Feiertage entschieden?
Wir orientieren uns bei den Feiertagen natürlich an unserem Geschäftsstandort Rotterdam in den Niederlanden. Grundsätzlich hat jeder einen gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Tagen im Jahr, schon vor der neuen Regelung haben wir unseren Mitarbeitern 23 Tage gewährt. Da wir keinem Tarifvertrag unterliegen, gibt es ansonsten keine weiteren Arbeitszeitregelungen – das macht uns so flexibel. Bei uns haben die Mitarbeiter jetzt also insgesamt 30 Tage Urlaub, über den sie frei verfügen können.
Wie viele Religionen und Nationalitäten sind in Ihrem Unternehmen vertreten?
Wir haben insgesamt circa 100 Mitarbeiter aus 28 Nationen. Das Durchschnittsalter beträgt 29 Jahre. Bezüglich der Religion liegen uns keine Zahlen vor, weil wir finden, dass das Privatsache unserer Mitarbeiter ist. Ich weiß aber, dass wir divers sind. Es gibt Anhänger mehrere christlicher Kirchen, Muslime und Mitarbeiter mit buddhistischem Hintergrund – wieder andere sind gar nicht religiös.
Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit der neuen Regelung gesammelt?
Wir haben in den Niederlanden lediglich sieben Feiertage. Unsere ersten Erfahrungen haben wir über Weihnachten gesammelt. Grundsätzlich nehmen viele den 25. und 26. Dezember frei. Doch gerade in internationalen Teams zeigt sich unsere neue Regelung beim zweiten Weihnachtstag, der in vielen Ländern nicht speziell gefeiert wird. Knapp ein Drittel der Belegschaft plant, am 26. Dezember ins Büro zu kommen.
Was sind die beliebtesten Feiertage, an denen die meisten Mitarbeiter frei nehmen?
Bereits an Pfingsten, was der erste Feiertag nach der Einführung unserer Regelung war, haben wir Veränderungen wahrgenommen: Lediglich die Hälfte unserer Mitarbeiter hat hier Urlaub genommen. Wir rechnen damit, dass sich die Weihnachtsfeiertage und Neujahr als die beliebtesten Feiertage herausstellen. Da die Regelung noch kein Jahr besteht, haben wir noch kein ganzes Jahr, auf das wir zurückblicken können. Sicher dürfte aber zum Beispiel auch sein, dass am Königstag (dem niederländischen Nationalfeiertag, der mit Paraden, Volksfesten und Konzerten begangen wird, Anmerkung der Red.) am 27. April kaum jemand arbeiten wird. Doch das dürfen alle selbst entscheiden.
Wenn Mitarbeiter an gesetzlichen Feiertagen des jeweiligen Landes arbeiten, sind häufig Zuschläge fällig. Was hat Sie die Regelung gekostet?
In den Niederlanden gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen für Zuschläge an Feiertagen. Ob ein Arbeitnehmer einen Zuschlag für die geleistete Arbeit erhält, hängt also vom Arbeitgeber ab und richtet sich in der Regel nach der Art der geleisteten Arbeit und nach der Branche, in der der Arbeitnehmer tätig ist. Heißt, der Mitarbeiter verliert nichts dadurch, dass er am Feiertag arbeitet – zum Ausgleich erhält er ja den freien Tag an einem von ihm selbst gewählten Datum.
Ihre Mitarbeiter können zudem eine Woche pro Jahr arbeiten, wo sie möchten. Können Sie den Zeitraum frei wählen?
Ja, das können die Mitarbeiter selbst entscheiden. Zeitpunkt und Ort sind völlig frei wählbar. Wenn jemand zu Weihnachten am Strand arbeiten möchte, kann er das tun. Wer sich im Sommer nach Schnee sehnt, kann sich in kältere Gefilde aufmachen. Jeder kann diese Woche so gestalten, wie er will.
Wie viele Mitarbeiter nutzen die Möglichkeit und wohin verlegen sie beispielsweise ihren Arbeitsort?
Nur eine Handvoll hat diese Gelegenheit bislang nicht genutzt. Die meisten der Mitarbeiter, die „Working Anywhere“ genutzt haben, nutzen die Woche, um bei ihrer Familie zu sein und arbeiten dann tagsüber, wenn ihre Familienmitglieder selbst arbeiten. Wir hatten allerdings auch schon Telefonkonferenzen mit Kollegen, die am Strand waren. Zuletzt war einer unserer Kollegen eine Woche auf Lanzarote, auf den Kanarischen Inseln, weil er dem kalten Wetter bei uns entfliehen wollte.
Warum geben Sie den Arbeitsort nicht komplett frei?
Wir glauben, dass nichts besser ist, als von Angesicht zu Angesicht mit den Kollegen zu sprechen. Es hilft, eine Verbindung aufzubauen, das Arbeitsumfeld zu verbessern und ermöglicht eine bessere Zusammenarbeit. Wir haben aber zum Beispiel neue Mitarbeiter, die zunächst von zu Hause arbeiten – etwa während sie auf ein Visum warten – die im Nachhinein dann meist sagen, dass sie es besser finden, im Büro zu sein. So können sie sich direkt austauschen. Um das Gemeinschaftsgefühl unserer HousingAnywhere-Familie weiter zu stärken, haben wir auch eine Vielzahl an Firmentreffen, meistens am Freitag, um die Woche gemeinsam zu beenden und die Leistungen des Teams zu feiern.
Wie geht es weiter mit der Arbeits-Flexibilisierung bei HousingAnywhere. Haben Sie schon weitere Pläne?
Im Moment haben wir keine weiteren Pläne, allerdings hören wir immer auf das Feedback unserer Mitarbeiter. Wenn sie also Ideen haben, wie wir uns weiter verbessern können, sind wir immer offen dafür.
Warum glauben Sie, dass Flexibilisierung der richtige Weg ist?
Wir sind ein sehr diverses Unternehmen und sehen das als eine unserer größten Stärken. Es macht uns kreativ, flexibel und verständnisvoller für unterschiedliche Persönlichkeiten. Es versetzt uns in die Lage, unseren acht Millionen Nutzern weltweit zu helfen, die ebenfalls sehr unterschiedlich sind. Inklusiv zu sein, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir treffen damit auch den Zeitgeist, denn die wenigstens wollen starr nine-to-five arbeiten.
Interview: Bettina Geuenich