Mehr Mut im Employer Branding: Zwei Beispiele aus IT-Unternehmen

Mehr Mut im Employer Branding

Gerade IT- und Tech-Unternehmen sind gefordert, in ihrer Zielgruppenansprache zu überzeugen. Denn die Talente, die sie suchen, haben nicht selten mehrere gute Angebote am Tisch, aus denen sie ihren nächsten beruflichen Schritt wählen können. Zwei Fallbeispiele aus Österreich zeigen, wie es Organisationen unterschiedlicher Größe auch in Zeiten des Fachkräftemangels gelingen kann, eine neue Employer Value Proposition (EVP) am Bewerbermarkt zu lancieren.

Wer sagt, dass man Mut nicht kaufen kann, ja muss?

Eine Grundvoraussetzung für das positive Kommunizieren der eigenen EVP: Sichtbarkeit oder, mehr noch, „smarte Sichtbarkeit“, wie sie Oliver Pott und Jan Bargfrede in ihrem Buch „Sichtbar!“ beschreiben. Denn es gilt, zur rechten Zeit im Dauerstream der Kommunikation bei der Zielgruppe aufzuscheinen –
im Wettbewerb um den ersten Platz in den Köpfen der Talente.

Diese smarte Sichtbarkeit erreichen Unternehmen sicher nicht, indem sie Menschen langweilen – sondern mit dem Mut zu einem ebenso unterhaltsam-kreativen wie informativen Auftritt. Nur, wer durch den „White Noise“ allgegenwärtiger Botschaften dringt, wird das schaffen. Dabei sind oft die unmöglich scheinenden Wege die richtigen, wie die Beispiele von Raiffeisen Software und conova communication zeigen.

Während Raiffeisen Software einen aufmerksamkeitsstarken Arbeitgeberauftritt entwickelte, ohne dabei Menschen zu zeigen, gelang es conova, im Arbeitgeberversprechen aus einer vermeintlichen Schwäche mit einem Augenzwinkern eine Stärke zu machen.

Raiffeisen Software: Flexibilität in Szene gesetzt

Doch der Reihe nach: Raiffeisen Software ist einer der größten IT-Dienstleister Österreichs. Als Softwarehaus der Raiffeisen Bankengruppe Österreich sorgt das Unternehmen mit rund 950 Mitarbeiter:innen an sechs Standorten für Lösungen, die Mitarbeitenden und Bankkunden das Arbeiten und Leben leichter machen.

Schon im Jahr 2021 hatte Raiffeisen Software die damals aktuelle Arbeitgeberpositionierung auf den Prüfstand gestellt. Diese stammt aus dem Jahre 2011, als das Unternehmen vor einer Fusion noch Raiffeisen Solutions hieß. Das Versprechen „Challenging Projects. True Teamwork.“ ist zu diesem Zeitpunkt also bereits zehn Jahre im Einsatz. Ein guter Moment, sich die Frage zu stellen, ob die EVP noch eine passende Ansprache für externe wie interne Zielgruppen sei. Coronabedingt wird das Projekt zum Großteil online abgewickelt.

Nach sechs Interviews mit dem Management-Board und Standortleitern sowie sechs Fokusgruppen mit rund 20 Führungskräften und 40 Mitarbeiter:innen aller Standorte ist schnell klar: Obwohl das Versprechen inhaltlich noch hält, sind durch Fusion, strategische Ausrichtung und aktuelle Anforderungen von Bewerberzielgruppen viele neue Aspekte wichtig geworden. Die Ergebnisse zeigen zudem: Gerade die Forderungen der Bewerbenden wie der Mitarbeitenden nach einem hohen Grad an Flexibilität sind bei Raiffeisen Software schon lange vor Corona gelebte Praxis. Ein hohes Maß an Individualisierung ist erreicht.

Daher entscheidet sich das Team um HR-Leiter Andreas Siquans und Projektleiterin Sonja Thaller, abgestimmt mit dem Management-Board, aus vier möglichen Positionierungskorridoren für einen neuen Weg. Für das Versprechen:

Der IT-Job, der in dein Leben passt.

Im Briefing für die kreative Umsetzung ist dann noch eine spezielle Herausforderung eingebaut: Da Employer-Branding-Auftritte oft auf austauschbaren (Stock-)Bildern von Menschen basieren, soll der Auftritt von Raiffeisen Software ohne Menschen auskommen. Dennoch muss die Idee aufmerksamkeitsstark vermitteln, dass sich hier der Job um das Leben herum organisiert und nicht wie üblich umgekehrt.

Alle vier präsentierten Linien sind ohne Menschen angelegt, von Illustrationen bis zu reinen Typografielösungen. Wie wird „Der IT-Job, der ins Leben passt.“ nun inszeniert? In unterschiedlichsten Image- und Zielgruppen-Sujets findet sich immer ein Mix aus beruflichen und privaten Gegenständen, die den Rahmen der Flexibilität bildlich darstellen. Da treffen also beispielsweise Laptops auf Kinderspielzeug, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht; da treffen Smartphones und Tablets auf den ÖBB Nightjet und eine Discokugel, wenn es um Absolventen geht, die neben beruflicher Ersterfahrung auch noch etwas von der Welt sehen wollen.

Nach knapp zwei Jahren mit der neuen EVP zieht HR-Leiter Andreas Siquans eine erste Zwischenbilanz: „Wir sind immer noch sehr happy mit unserer Positionierung. Sie passt zu uns, sie passt in die Zeit und zum Bedarf der Bewerber:innen und sie fordert uns nach wie vor.“ Seine für Employer Branding zuständige Kollegin Sonja Thaller ergänzt: „Die grafische Umsetzung ist ein Eyecatcher mit hohem Wiedererkennungswert. Der Mix von Arbeits- und Freizeitutensilien erzählt jeweils eine Geschichte für unterschiedliche Zielgruppen und kann bei Bedarf auch adaptiert beziehungsweise erweitert werden.“

conova communications: mutiges Spiel mit vermeintlichen Nachteilen

Einen anderen Weg geht die conova communications GmbH, die in Salzburg sieben Rechenzentren betreibt und eines der führenden österreichischen IT-Unternehmen ist, wenn es um Managed Services für zentrale IT geht. Maßgeschneiderte IT-Lösungen liefert man aus den eigenen Rechenzentren sowie in Kombination mit Public-Cloud-Lösungen. Rund 110 Mitarbeiter:innen betreuen Großkunden wie Porsche Informatik und XXXLutz, aber auch mittelständische und kleine Unternehmen in Österreich und Nachbarländern.

2021 ist das Unternehmen in einer starken Wachstumsphase, unternimmt einiges, um neue Mitarbeitende anzusprechen. Was noch fehlt, ist ein roter Faden, der sowohl für spontane Aufmerksamkeit, als auch für langfristige Wiedererkennbarkeit sorgt. In drei Interviews mit Geschäftsführer und Schlüsselpersonen sowie in drei Fokusgruppen ergeben sich viele Stärken. Vor allem ist das damals rund 80 Personen starke Team bereits auf Werte und eine Kultur eingeschworen – den sogenannten #conovaspirit.

Gleichzeitig bestätigen die coronabedingten Online-Fokusgruppen unter den Mitarbeiter:innen einen hohen Workload, der spürbar ist und sich durchaus auch regional bereits herumspricht. Nun können Unternehmen – Mut und authentisches Auftreten vorausgesetzt – auch solche vermeintlichen Nachteile zum Teil einer Positionierung machen. Neben drei anderen möglichen Positionierungskorridoren entscheidet sich conova tatsächlich für diesen mutigeren Weg:

Hier machst du echt was mIT.

Wie viele gute Werbeslogans, die bekannte Redewendungen im Sinn verdrehen, steht dieser Slogan der Employer Value Proposition für die duale Kernidee: Hier kannst du als Mitarbeiter:in tatsächlich vom Start weg in die IT eintauchen, in ebenso großer Breite wie Tiefe – in den Fokusgruppen mehrmals liebevoll auch als „Techporn“ beschrieben. Gleichzeitig weist der EVP-Slogan aber auch schon darauf hin, dass hier eine intensive Mitarbeit einfach auch aufgrund der überschaubaren Größe des Unternehmens in einer starken Wachstumsphase gefordert ist.

Wieder spielt die Inszenierung nun eine zentrale Rolle: So ist das Mini-Wortspiel „mIT“ ein wiederkehrendes Element in der Sprache des Employer Brandings, indem conova beispielsweise mit Wörtern wie mIT.denken, mIT.gestalten oder mIT.wirken spielt. Aber auch die visuelle Dramatisierung der Grundidee ist wichtig – so zeigt conova ausschließlich eigene Mitarbeiter:innen, die sich jeweils in einer euphorischen und einer weniger euphorischen Pose präsentieren. Die emotionale Bildsprache unterstreicht die duale Kernidee zusätzlich.

Diese Employer Branding Cues ziehen sich durch die gesamte Kommunikation: von der Karrierewebsite über Messestände bis zu kreativen Out-of-Home-Anwendungen, die in der Stadt Salzburg auch neue Werbeimpulse setzen und mit einem Award belohnt werden. Denn erstmalig setzt conova auf Boden-Flächen-Werbung in den Salzburger Altstadt-Garagen – und macht damit kongenial auf sich als attraktiven, kreativen Arbeitgeber aufmerksam.

Nun sind das Versprechen und die Kampagne rund zwei Jahre im Einsatz. Geschäftsführer Robert Pumsenberger fühlt sich in der Entscheidung für den mutigen Weg bestätigt und meint: „Das Wortspiel passt so richtig gut zu uns. Die bestehenden Mitarbeiter:innen können sich damit voll identifizieren und die Botschaft kommt auch sofort authentisch bei neuen Bewerbern rüber“. HR-Teamleiterin und Projektleiterin Andrea Reiter weist darauf hin, „dass sich inzwischen das conova-Arbeitgeberversprechen am Markt sehr positiv auswirkt und entsprechend wahrgenommen wird“ und „sich dadurch auch eine deutliche Steigerung des Bewerbungseinganges verzeichnen lässt. Das bestätigt einmal mehr, dass es sich lohnt, mutig zu sein und über den Tellerrand zu blicken.“

Was braucht es jetzt dafür ‒ außer mutige Entscheidungen?

Die beiden Beispiele zeigen es: Im Zentrum steht eine starke, relevante Idee – Sie muss für die Zielgruppe eine Bedeutung haben. Diese Idee gleicht einer Storyline, die Werthaltung transportiert. Und weil wir alle als Zielgruppen heute ein durch und durch „verwöhntes“ Publikum sind, muss diese Relevanz auch noch unterhaltsam an uns herangetragen werden.

Das heißt: Es braucht eine überraschende Perspektive, die mich in die Relevanz der Geschichte hineinzieht. Bei Raiffeisen Software ist das zum einen die verbale Umkehrung der Denkhaltung „das Leben muss um den Job herum organisierbar sein“. Zum anderen ist es die Bildwelt, die diese Kombination kreativ inszeniert. Bei conova ist es die authentische Botschaft eines IT-Powerhouse, dass hier Arbeit wartet, in der man sich verwirklichen kann. Im Mix mit einer Bildsprache, die authentisch die Höhen und Tiefen dramatisiert, die es nun einmal bei der Arbeit gibt, die uns zu dem machen, was wir sind: Menschen. Auf eine einfache Formel gebracht:

Relevante Idee + Überraschende Perspektive = Starke Arbeitgeberpositionierung

Moment, war da nicht noch was? Ja, Idee und Perspektive müssen in Kombination natürlich auch differenzieren, neu sein. Das steckt im überraschenden Teil der Übung schon drinnen. Jetzt kann man die mutige Entscheidung treffen, alle internen wie externen Maßnahmen im Employer Branding und in der Candidate und Employee Experience nach dieser Storyline zu erzählen – immer wieder frisch und inspirierend.

Quelle: Fachzeitschrift personal manager 3/24

Ralf Tometschek
Partner at identifire und wortwelt | + posts

Ralf Tometschek ist Partner bei identifire und wortwelt. Als Markenberater mit Schwerpunkt Employer Branding liegt sein Fokus darauf, Mitarbeitende zu Jobbotschaftern zu entwickeln.

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