EY Österreich veranstaltet spektakuläre Recruiting-Events und zieht damit regelmäßig die Aufmerksamkeit von Kandidatinnen und Kandidaten auf sich. Wie die Ideen für diese Veranstaltungen entstehen und was sie mit dem Arbeitgeber EY zu tun haben, erklärt Iris Temminghoff, die bei dem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen für Employer Branding, Recruiting und Diversity verantwortlich ist.
Frau Temminghoff, im vergangenen September konnten sich Bewerber:innen von der Hauswand Ihrer Büros abseilen lassen. Wollten Sie testen, wie risikoaffin die Leute sind?
Nein – das Houserunning war kein Test, sondern ein optionaler Bestandteil eines halbtägigen Recruiting-Events. Wer die Veranstaltung besucht hat, konnte sich für oder gegen das Houserunning entscheiden, auch ganz kurzfristig – und diese Entscheidung hatte selbstverständlich keinerlei Auswirkungen auf die Chancen im Bewerbungsprozess.
Wie kamen Sie auf die Idee zum Houserunning?
Wir machen regelmäßig Brainstormings und sammeln Ideen, die wir umsetzen könnten. Das Konzept zum Houserunning entstand, weil wir an unseren Arbeitsplätzen in einem Büroturm im 22. Wiener Bezirk eine außergewöhnliche Aussicht genießen. In Recruiting-Gesprächen ist der Blick über Wien ein üblicher Einstieg. So kam der Gedanke auf, dass es spannend sein könnte, ein solches Gespräch an einer Hauswand zu führen und so diesen für EY in Wien sehr charakteristischen Punkt direkt im Recruiting erlebbar zu machen.
Ein Recruiting-Gespräch in mehreren Hundert Metern Höhe?
Ja, das war der Gedanke. Wir haben das Houserunning dann tatsächlich mit einem Partner umsetzen können – für Bewerber:innen und für Mitarbeiter:innen, die Lust hatten, die Gelegenheit wahrzunehmen. Wir haben viele sportliche Kolleg:innen im Team, einige davon betreiben Extremsport. Insofern finden sich genug Leute, die motiviert sind, auch ungewöhnliche Wege zu gehen und sogar eine Hauswand herunter laufen. Auch ein großer Teil unserer Benefits betrifft sportliche Aktivitäten. Daher passte dieses Event gut zu uns.
Doch was wir nicht bedacht hatten: Wenn man in mehreren hundert Metern Höhe an einer Hauswand herunter gelassen wird, ist ein einfacher Spaziergang nicht mehr möglich. Vielmehr „hüpft“ beziehungsweise gleitet man hinunter und der Adrenalinpegel ist so hoch, dass kein fokussiertes Gespräch mehr möglich ist. Daher mussten wir die Interviews doch in die Büros verlegen. Somit konnten wir die gute Aussicht auch noch mit einem Einblick in unsere Büroräumlichkeiten vereinen, während das Houserunning eher als Action-Highlight ins Event integriert wurde.
Schon in den Jahren davor haben Sie aufwändige Recruiting-Events veranstaltet, wie die „Hire-Ring-Bim“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Wie das Wortspiel bereits andeutet, handelte es sich bei der Hire-Ring-Bim um eine Straßenbahn, in der während einer Runde um den Ring Recruitinggespräche geführt wurden. Im Vorhinein konnten sich Kandidat:innen bei uns mit einem CV registrieren. Wir haben dann telefonisch oder am Tag des Events kurze Gespräche mit ihnen geführt, um Daten und Fakten abzuklären. In der nächsten Runde fand das tatsächliche Recruitinggespräch in einer Bim statt. In rund einer halben Stunde sind die Bewerber:innen mit uns in einer alten Straßenbahn den Wiener Ring entlanggefahren.
Auf Basis des Interviews in der Bahn haben wir entschieden, ob jemand zu einem Gespräch mit einer:m unserer Partner:innen eingeladen wird. Bei diesem Gespräch ging es dann eigentlich nur mehr darum, die finalen Eckdaten zu klären und zu entscheiden, ob man ein Teil von EY wird oder nicht. Dieses Gespräch fand beim direkt anschließenden Afterwork in einem Lokal am Karlsplatz statt, dem Platz, an dem auch die Bahnfahrt begonnen und geendet hatte.
Mit der Afterwork-Veranstaltung und der Straßenbahnfahrt konnten wir unsere Feierkultur, Wiener Tradition und unseren Innovationsgeist sehr gut zeigen. Wir sind ein extrem innovatives und internationales Unternehmen, aber gleichzeitig sind wir stark lokal verwurzelt. Das hat dieses Event durch den Gegensatz zwischen der traditionellen Bim und dem neuen Recruitingansatz sehr gut zum Ausdruck gebracht.
Im darauffolgenden Februar haben Sie mit „Recruiting in the Dark“ nachgelegt. Worum ging es Ihnen dabei?
Hierbei ging es uns um Werte, die uns bei EY sehr wichtig sind, nämlich Diversity, Equity und Inclusion. Sprich: Bei uns sind alle willkommen, sofern sie die Voraussetzungen für die Jobs mitbringen und ins Team passen. Mit dem Event wollten wir auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen auf uns aufmerksam machen und konnten gleichzeitig Awareness für Menschen mit einer Sehbehinderung schaffen. Als Partner haben wir den Verein Dialog im Dunkeln gefunden, die mit uns Recruiting-Gespräche in völliger Dunkelheit umgesetzt haben. Die Kandidat:innen konnten sich vorab komplett anonym bewerben – ohne Foto und Namen.
Auch diese Aktion passte insofern gut zu unserer Unternehmenskultur, weil wir großen Wert auf Diversity legen. Wir sind beispielsweise langjähriger Partner von myAbility, unterstützen Frauen mit unserer Female Leadership Journey durch diverse Weiterbildungen, Events und Kooperationen und sind mittlerweile jedes Jahr Teil der Vienna Pride – auf die sich viele Kolleg:innen jedes Jahr sehr freuen.
Mit den Events haben Sie viel Aufmerksamkeit erregt. Müssen Sie so stark trommeln, um passende Leute zu finden?
Ja, wir bekommen zwar viele Bewerbungen, aber nichtsdestotrotz sind wir in einem sehr konkurrierenden Arbeitsmarkt unterwegs. Wir bieten Leistungen an, die grundsätzlich auch andere Big-Four-Unternehmen im Programm haben. Aber wir unterscheiden uns in der Unternehmenskultur. Events wie diese bieten für uns eine Möglichkeit, uns so zu präsentieren, wie wir sind: Wir arbeiten hart, aber feiern auch gerne. Wir legen Wert auf Qualität, Teamgeist und Vielfalt.
Wie erfolgreich waren die Veranstaltungen letztlich für Ihr Recruiting?
Wir haben jeweils mehr als 100 Bewerbungen erhalten. Die Zahl der Einstellungen hat sich immer im zweistelligen Bereich bewegt. Großteils konnten wir schon am Tag der Veranstaltung selbst Zusagen treffen. Allerdings geht es uns nicht nur um die reinen Einstellungszahlen: Solche Events sind für uns auch wichtige Image-Kampagnen.
Wie würden Sie das Verhältnis von internem und externem Employer Branding beschreiben?
Das geht Hand in Hand. Wir binden unsere Mitarbeitenden in alle Recruiting-Events ein. Die Afterworks besuchen beispielsweise mehr interne Mitarbeitende als externe Talente – das gemeinsame Networking und authentische Kennenlernen ist uns bei unseren Events ein besonderes Anliegen. In all unseren Aktivitäten, die wir für das Employer Branding setzen, sind interne Aktionen eingebaut. Daher lässt sich das nicht trennen. Auch unser Recruiting wird zu einem großen Teil von den Kolleg:innen getragen. Sie führen Gespräche mit Talenten, sie sind auf Messen aktiv und geben auf vielfältige Weise Einblick in ihren Berufsalltag. Das ist auch besonders wichtig für uns, denn wer kann einen Job besser bewerben als eine Person, die ihn gerade mit Erfolg und Spaß ausübt?
Interview: Bettina Geuenich