Traditionelles Changemanagement „von oben“ scheitert häufig am Widerstand der Mitarbeiter. Dem können agile Methoden und Instrumente entgegen wirken. Denn sie tragen dazu bei, alle mitzunehmen. Doch auch ein agiles Vorgehen ist nicht immer sinnvoll. Wann eignen sich welche Herangehensweisen? Und müssen wir Veränderungsmanagement komplett neu denken?
Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die Unterschiede zwischen traditionellem und agilem Changemanagement werfen.
Traditionelles Changemanagement
Im traditionellen Changemanagement treibt die Unternehmensleitung „von oben“ den Change. Sie arbeitet ihn mit einem „geheimen“ Team aus und erwartet dann die unmittelbare Umsetzung in der Organisation. Für Betroffenen, Führungskräfte wie Mitarbeitende, die davon bis dahin wenig bis nichts wussten, kommen diese Veränderungen überraschend. Dementsprechend sind sie damit oft überfordert. Daher setzen sie die Veränderungen entweder „wie angeordnet“ (also nach Vorschrift) um oder sie reagieren mit
Hinzu kommt, dass traditionelles Changemanagement mit sehr detaillierten Plänen arbeitet und in der Implementierung wenig Raum für Anpassungen lässt. „Wir haben uns das genau vorab überlegt, somit muss es in der Praxis auch genau so funktionieren. Etwaige Schwierigkeiten liegen darin begründet, dass ihr („die Betroffenen“) offensichtlich nicht in der Lage seid, das so umzusetzen“, so ein überspitzt formulierter Kommentar eines Projektmitarbeiters. Mit dem „Big Bang“ sollte dann der Change komplett abgeschlossen sein.
Beispiel: Einführung eines Unternehmensbereichs
Ein Praxisbeispiel mag diese Vorgehensweise veranschaulichen: In einem Unternehmen mit rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hatte die Geschäftsführung die Notwendigkeit erkannt, dass sich die Unternehmensstrategie in Richtung Lösungsverkauf entwickeln sollte. In Abstimmung mit einem engen Kreis an Vertrauten hat die Unternehmensleitung diese Strategie ausgearbeitet. Ein wichtiger Schritt war, einen Leiter für diesen neuen Bereich zu rekrutieren. Die Organisation erfuhr von der Veränderung mit dem Announcement des neuen „Head of“. Die Erwartungshaltung der Geschäftsführung war, dass der Lösungsverkauf Teil des Unternehmens sein sollte. Doch die Organisation war darauf nicht vorbereitet und überfordert.
Die Reaktionen reichten von Unverständnis („Was heißt das nun?“), über Widerstand („Wir werden denen da oben schon zeigen, dass das nichts wird“) und Ignorieren („Wir tun einfach weiter wie bisher. Auch das wird an uns vorüberziehen“) bis hin zur Bereitschaft, die neue Strategie zu unterstützen („Interessante, sicher zukunftsträchtige Strategie, nur was können wir dazu beitragen? Wir brauchen mehr Informationen. Wir haben auch Ideen für eine erfolgreiche Umsetzung, nur von wem werden wir gehört?“). Trotz einiger positiver Stimmen floss sehr viel Energie in den Widerstand gegen die Veränderung. Die Mitarbeiter trugen die neue Strategie nicht mit.
Agiles Change Management
Ganz anders ist das Vorgehen im agilen Changemanagement. Veränderungen lassen sich in der agilen Vorgehensweise auf verschiedenen Ebenen der Organisation initiieren (top down und bottom up). Es braucht dafür jedoch einen entsprechenden Rahmen und den passenden Reifegrad der Organisation (siehe dazu auch den Haufe Quadrant). Andernfalls kann es bei reinem Bottom-up-Vorgehen genauso zu einer Überforderung der Organisation kommen wie beim Top-down-Management.
Veränderungen von oben zu initiieren kann vor allem Sinn machen, wenn sie schnell und effizient umgesetzt werden sollen oder wichtige Vorgaben zu implementieren sind. Auch in Krisensituationen ist ein Top-down-Management oft sinnvoll. Wenn bessere Lösungen durch Ideen eines multidisziplinären Teams erzielt werden können und Organisationen das Commitment in der Mannschaft sicherstellen wollen, erscheint hingegen ein Bottom-up-Ansatz sinnvoller.
Das „Cynefin Framework“-Modell von Dave Snowden (https://www.cognitive-edge.com/the-cynefin-framework/, Abbildung 1) hilft zu verstehen, welche Vorgangsweise für die Lösung welcher Themenstellungen passend ist. Das Modell unterstützt uns dabei, verschiedene Situationen anhand ihrer Komplexität zu erfassen und zu erkennen. Dadurch können wir passende Handlungsweisen ableiten.
Die Mitarbeiter zu beteiligen und Veränderungsprozesse auch „von unten“ initiieren zu können, sind wesentliche Merkmale einer agilen Vorgehensweise. Hinzu kommt ein prozesshafter Ansatz mit aufeinander aufbauenden (inkrementellen) Schritten und wiederholdenden (iterativen) Schleifen, wie sie zum Beispiel aus den agilen Methoden Design Thinking oder Scrum bekannt sind. Im agilen Changemanagement werden die Veränderungen nicht im Vorfeld minutiös geplant, sondern in kleinen Schritten entwickelt und getestet.
Beispiel: Einführung eines OKR-Systems
Als Beispiel dafür sei die Einführung eines OKR-Systems in einer Organisation mit mehreren tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genannt. OKR steht für Objectives and Key Results (Ziele und messbare Key Results) und ist ein agiles Framework für die Unternehmens- und Mitarbeiterführung (eine weiterführende Einführung erhalten Sie zum Beispiel hier).
Die Organisation hat bereits mit Zielen gearbeitet und dabei ein klassisches „Management by Objectives“- System genutzt. Doch in einem Unternehmensbereich wollte die verantwortliche Führungskraft ein agileres System einführen. Sie hat sich daher entschlossen, in ihrem Verantwortungsbereich auf OKR umzustellen. In iterativen Schleifen passte die Abteilung das System auf die Anforderungen ihres Bereichs an. Nachdem sie wertvolle Erfahrung in der Umsetzung sammeln konnte, haben auch andere Unternehmensbereiche das OKR-System – in inkrementellen Schritten – adaptiert und eingeführt. Wesentliche Erfolgsfaktoren waren dabei laufende Evaluierungen und Weiterentwicklungen. Spannend in diesem Prozess: Das System verändert den Fokus der Organisation, denn sie erlebt die Veränderung als gemeinsames Projekt und als Prozess ohne Abschluss.
Welche agilen Elemente nutzen Sie?
Wenn wir nun die wesentlichen Merkmale von traditionellem und agilem Changemanagement betrachten (Abbildung 2), dann können Sie sich bezogen auf Ihre eigene Organisation fragen:
- Welche Elemente des Changemanagements erlebe ich in meiner Organisation?
- Wo braucht es welchen Zugang?
Nicht alle Veränderungen lassen sich mit agilen Methoden gut unterstützen. Umgekehrt ist auch ein rein traditionelles Changemanagement nur in einigen Fällen sinnvoll. Es braucht ein Vorgehen, das je nach Situation und Rahmenbedingungen die passenden Elemente auswählt.
Fazit
- Sie müssen das Changemanagement nicht neu erfinden. Es gibt sehr bewährte Vorgangsweisen und Methoden, auf die Sie zurückgreifen können.
- Changemanagement kann nicht unbegrenzt agil werden. Es gibt Möglichkeiten und Grenzen – und das Entscheidende ist zu beurteilen, wann es welche Vorgangsweise braucht.
- Changemanagement in agilen Transformationen ist anspruchsvoll. Denn es ist ein laufender Prozess.