Ein gewisses Selbstbewusstsein kann nicht schaden, wenn Führungskräfte in Spitzenpositionen wie die des Chief Executive Officers (CEO) gelangen. Doch wer allzu sehr von seinen eigenen Fähigkeiten überzeugt ist, trifft unter Umständen Fehlentscheidungen, die Unternehmen ins Straucheln bringen. Forscher der Wirtschaftsuniversität Wien um Christian Schumacher vom Institut für International Business haben in einer Studie untersucht, welche Rolle die Persönlichkeit von CEOs bei der Bewertung der Finanzlage ihres Unternehmens spielt. Dabei haben sie sich auf große börsennotierte US-Firmen konzentriert. Wir haben den Studienleiter nach den Implikationen für die Praxis gefragt.
Welche Folgen hat es für ein Unternehmen, wenn ein CEO sehr selbstbewusst ist?
Frühere Studien haben gezeigt, dass ein übertriebenes Selbstbewusstsein bei CEOs uneinheitliche Konsequenzen hat: Zum einen kann es zu irrationalen Entscheidungen führen, die möglicherweise negative Finanzergebnissen zur Folge haben. Zum anderen investieren selbstbewusste CEOs tendenziell mehr in Research & Development und legen das Firmenkapital riskanter an. Das kann eine höhere Investitionskraft des Unternehmens zur Folge haben. Wir betonen in unserer Studie die negativen Seiten des übertriebenen Selbstbewusstseins von CEOs, die im Generellen überwiegen, indem wir zeigen: Übertrieben selbstbewusste Chefs reagieren schlechter auf Feedback und dementsprechend können Unternehmen auch weniger von diesen Rückmeldungen lernen.
Warum ist Feedback für CEOs so wichtig?
Feedback ist eine der wichtigsten Informationsquellen für CEOs, um den Erfolg der Firmenstrategie beziehungsweise die Not für eine Veränderung zu evaluieren. Das gilt vor allem für Feedback zur Entwicklung der finanziellen Lage eines Unternehmens – auch im Vergleich zu anderen Organisationen.
Die Studie zeigt hier, wie wichtig es ist, dass sich CEOs bewusst sind, wie ihre Reaktion auf positives und negatives Feedback von den eigenen persönlichen Charaktereigenschaften und Dispositionen bestimmt wird. Denn wenn sie zu spät auf eine negative Entwicklung des Unternehmens reagieren, kann das verheerende Folgen haben.
Was bedeutet das für das Besetzen von Spitzenposititionen?
Unternehmen müssen beim Recruiting von Spitzenpositionen prüfen, ob sie Gefahr laufen, einen übermäßig selbstbewussten CEO anzustellen. Forschungen von Kaplan et alii zeigen, dass es für Unternehmen möglich ist, dies vor der Einstellung zu evaluieren. Unternehmen, müssen sich bewusst sein, dass sehr selbstbewusste Spitzenmanager höhere Risiken eingehen – was oft gewünscht ist. Gleichzeitig wird ein solcher Chef aber auch schlechter darin sein, aus Feedback zu lernen. Daher benötigt ein selbstbewusster CEO eine noch stärkere Kontrolle durch den Aufsichtsrat. Investoren und Aufsichtsräte müssen sich klar machen: Die Persönlichkeit des CEOs kann dahinter stehen, wenn dieser nicht auf schwache finanzielle Ergebnisse reagiert. Diese Passivität ist vielfach kein Resultat einer objektiven Evaluierung der Firmendaten.
Sie haben US-Unternehmen untersucht. Lassen sich Ihre Ergebnisse auf unseren Sprach- und Kulturkreis übertragen?
Frühere Studien haben gezeigt, dass die Levels von übermäßig selbstbewussten CEOs in westeuropäischen Unternehmen ähnliche Werte wie die von US-Unternehmen haben. Unsere Studie ist demnach auch auf diese Unternehmen übertragbar. Da Menschen in asiatischen Kulturkreisen viel seltener übertrieben selbstbewusst sind und es in Asien auch andere hierarchische Strukturen in Unternehmen gibt, sind unsere Ergebnisse auf Asien nicht übertragbar. Für diesen Kulturkreis müssten zusätzliche Studien durchgeführt werden.
Interview: Bettina Geuenich
Zur Studie
Die Studie analysiert Daten von mehr als 800 Unternehmen aus dem „S&P 1500 Index“ im Zeitraum von 1992 bis 2014. Dieser beinhaltet die 1.500 größten börsennotierten US-Unternehmen. Die Forscher haben Unternehmenszahlen sowie Informationen zu Risikoverhalten, Finanzlage oder Performance Feedback von großen Firmendatenbanken wie Compustat gesammelt. Ob ein CEO übermäßig selbstbewusst ist, leiteten sie aus seinem Verhalten ab und analysierten es folgendermaßen: Zum einen untersuchten sie mittels Textanalyse, ob ein CEO in den Medien als übermäßig selbstbewusst portraitiert wird. Zum anderen analysierten sie die persönlichen Investment-Portfolio-Entscheidungen von CEOs. Dabei haben sie gemessen, ob ein CEO übermäßig selbstbewusste Entscheidungen trifft und große Firmenanteile von dem Unternehmen hält, welches er auch als CEO leitet. Am Ende wurden die Datenbanken zu den Unternehmenszahlen und den Persönlichkeiten der CEOs verbunden und statistisch analysiert.