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Zwischen Job-Apokalypse und KI-Euphorie: Wie wir Arbeit mit künstlicher Intelligenz neu erfinden

Wie verändert künstliche Intelligenz die Art, wie wir arbeiten? Und welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf HR und Personalentwicklung? Zu diesen Themen forscht und berät Stephan A. Jansen. Er ist Professor für Management, Innovation & Finanzen an der Karlshochschule in Karlsruhe, assoziierter Forscher am »Alexander von Humboldt-Institut für Internet & Gesellschaft“ in Berlin, Buchautor, Kolumnist und Berater für digitale und soziale Transformation. Im Interview plädiert er für eine verantwortungsvolle und menschenorientierte Integration von KI in die Arbeitswelt und beschreibt, welche Aufgaben auf HR und Bildungseinrichtungen zukommen.

Prof. Jansen, die einen befürchten massenhafte Jobverluste durch KI, die anderen freuen sich auf Produktivitätsgewinne. Zu welcher Sichtweise tendieren Sie?

Ich tendiere zu einer differenzierten Sichtweise, die zwischen apokalyptischen Endzeitstimmung und naiver Techno-Euphorie liegt. Die Geschichte der Arbeit zeigt: Jede große technische Revolution – vom Webstuhl bis zum Webshop – hat Arbeitsplätze verändert, aber selten einfach vernichtet. Wir haben viele Studien der letzten Jahrhunderte ausgewertet – mit ähnlichem Ergebnis: Die Inhalte haben sich verändert, die Arbeit wurde mehr. Es arbeitet kaum mehr jemand in der Landwirtschaft, aber bei Landwirtschaftsmaschinenherstellern, Lebensmittel-Discountern und als Food-Influencer. Bankautomaten haben den Schalterbeamten abgelöst und das Vermögensmanagement stellt ein.

Zur Differenzierung gehört auch, dass gerade Menschen in Deutschland und Österreich eher skeptisch sind – in Personalabteilungen übrigens besonders. Und gleichzeitig mehr als drei Viertel KI im Arbeitsalltag nutzen, meist ganz pragmatisch und eigeninitiativ. Also weniger Job-Apokalypse und mehr BYOAI-Party (Bring Your Own AI)!

Die Produktivitätsgewinne gibt es tatsächlich in ausgewählten Bereichen, aber die erhoffte „Revolution der Produktivität“ bleibt bislang aus und wird derzeit noch überschätzt – vor allem von Führungskräften, die die sogenannten Rebound-Effekte nicht kennen: Wie lange dauert es zum Beispiel, sich den Umgang mit einer neuen Technologie anzueignen? Wieviel Mehrarbeit entsteht dadurch? Wir beobachten dieses „Produktivitätsparadox“ schon seit über 30 Jahren in der Informations- und Kommunikationstechnologie und es wird von dem Nobelpreisträger Daron Acemoglu auch für KI diskutiert.

Und zur differenzierenden Wahrheit gehört auch: In Europa ist der Anteil an der weltweiten Plattformökonomie von 4 Prozent auf nur noch 2 Prozent (2023) geschrumpft, die Large Language Modelle liegen nicht in Europa und die digitale Souveränität Europas ist auch mit Blick auf Infrastrukturen nicht mehr gegeben. All das kann auch Arbeitsmarkteffekte in einer noch zu starken Industrialisierung haben.

Mein Fazit: KI schafft neue Jobs, verändert alte und lässt uns vor allem eines tun – uns immer wieder neu erfinden. Oder wie Pablo Picasso sagte: „Computer sind absolut nutzlos. Sie können nur Antworten geben.“ Die Fragen – und damit die Arbeit an der Arbeit – bleiben also bei uns. Und der große Ökonom John Maynard Keynes hatte unrecht: Wir arbeiten doch alle – durch Industrialisierung und Robotisierung mehr als die 15 Stunden, die er für unsere jetzige Generation annahm. Das wird auch im zweiten Maschinenzeitalter der KI wohl so bleiben.

Wie lässt sich die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine organisieren? Welche Überlegungen sollte HR dabei anstellen?

Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ist wie ein guter Tango: Nur gemeinsam wird’s elegant – oder man tritt sich auf die Füße. HR sollte daher keine „Mensch-oder-Maschine“-Debatte führen, sondern auf „Mensch-mit-Maschine“ setzen. Fabiola Gerpott und ich führen das in unserem Buch „Die Arbeit: Wie wir sie mit KI neu erfinden … und was für uns übrig bleibt“ als „Human Machine Ressource Management“ über alle Phasen aus (siehe Literaturtipp). Kongenialität wird hier entscheidend – ob als verschmelzender Cyborg oder als Zentarus, also halb Mensch, halb Pferd.

Das bedeutet: Prozesse so gestalten, dass KI Routinetätigkeiten übernimmt und Menschen sich auf künstlerische Intelligenz konzentrieren können, also regelbrechende Kreativität, körperlich kopräsente Empathie und Lösungen von noch nicht verstandenen Problemen. Wichtig sind dabei Transparenz, Mitbestimmung und Weiterbildung – denn die Mehrheit der Beschäftigten suchen klare Regeln und Trainings zur KI-Nutzung in Organisationen. HR muss ethische Leitplanken setzen (Stichwort: Diskriminierung in den großen Sprachmodellen), Mitarbeitende für den Umgang mit KI qualifizieren und eine Kultur schaffen, in der Experimente und Fehler Lernchancen sind.

Mein Tipp: Ab ins Reallabor! Testen, evaluieren, nachjustieren – und dabei nie vergessen, dass Maschinen zwar rechnen, aber nicht lachen können. Noch nicht. Also sollten wir es machen, baut Stress ab, sogar den, den wir wegen der KI bekommen.

Können Maschinen gute Führungskräfte sein? Welche Führungsaufgaben könnten sie übernehmen?

Klingt wie Science-Fiction, ist aber schon Realität – zumindest teilweise. Fragen Sie Lieferfahrer. KI kann heute schon Aufgaben wie Planung, Ressourcenallokation oder Leistungsbewertung effizienter erledigen als viele Menschen. Studien zeigen, dass Botbosse, also algorithmische Führung zum Beispiel bei Schichtplanung oder Zielvereinbarungen für mehr Fairness sorgen kann, weil sie weniger von Tagesform der Chefin oder Sympathie des Chefs beeinflusst ist. Aber: 85 Prozent der Deutschen lehnen KI als alleinige Führungskraft ab. Warum? Weil Führungskräfte doch mehr leisten, Empathie, Inspiration oder Konfliktfähigkeit besitzen – die „weichen“ Seiten der Führung bleiben also menschlich.

Deswegen raus aus den Homeoffices, rein ins Leben. KI kann cool analysieren, auch ohne die unangenehme, also auch persönlich projizierte Empathie, aber die Zukunft liegt in der hybriden Führung.

Welche Kompetenzen müssen wir in Zukunft entwickeln, um im Zusammenspiel mit KI erfolgreich zu bleiben – und wie sollte die Personalentwicklung darauf reagieren?

Die wichtigste Kompetenz der Zukunft? Lernfähigkeit. Die Halbwertszeit von Wissen sinkt rapide: Laut OECD werden bis 2030 fast 50 Prozent der heute gefragten Skills durch neue ersetzt. Personalentwicklung sollte deshalb eben nicht nur digitale Fitness beziehungsweise Literalität fördern, sondern vor allem kritisches Denken, Kreativität, Teamfähigkeit und ethische Reflexion. KI kann auch für künstlerische und kollaborative Intelligenz stehen, das bedeutet, wir müssen Schulen, Universitäten und berufliche Weiterbildung radikal digital versionieren und in konkrete Interaktion humanisieren. Bildung braucht Bindung.

Unternehmen sollten Mitarbeitenden Räume für Experimente, Fehler und lebenslanges Lernen bieten – und Führungskräfte als Lernbegleiter ausbilden. Mein Motto: „Theater statt BWL“ – denn wer improvisieren kann, bleibt auch im KI-Zeitalter handlungsfähig. 

Umgekehrt heißt das aber auch: die Verhaltensauffälligen werden die Normalen, denn Neurodiversität und Wissens- wie Hand- und Empathiearbeit müssen wir zusammen denken. Jeder ist irgendwo außergewöhnlich und wir sind alle unterschiedlich. Das bedeutet individualisierende Führung und Weiterbildung – wieder mit Führungskräften, die Zeit haben, und KI, die Fakten und Geduld haben. Das ist ziemlich genau das Gegenteil von Arbeit und Bildung heute: Gleichmacherei.

Und dann bleibt eine entscheidende Kompetenz, wie es schon der Kybernetiker Heinz von Foerster pointierte: „Nur die Fragen, die im Prinzip unentscheidbar sind, können wir entscheiden.“ Die Zukunft gehört also den Fragenden – nicht den Antwortmaschinen.

Literaturtipp

Die Arbeit. Wie wir sie mit KI neu erfinden … und was für uns übrig bleibt. Von Stephan A. Jansen und Fabiola H. Gerpott. brand eins books 2025.

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Bettina Geuenich

Chefredakteurin bei personal manager
Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift und des Blogs personal manager. Sie beobachtet seit über 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.
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