Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) ist keine gewöhnliche Arbeitgeberin. Das spiegelt sich auch in ihrer Arbeitgebermarke. Wie diese entstand und was sie in der Organisation ausgelöst hat, beschreiben Christoph Mandl, Leitung Personal und Organisationsentwicklung, sowie Eva Weissenberger, Leiterin Kommunikation und Marketing.
Frau Weissenberger, Herr Mandl, was macht die WKÖ als Arbeitgeberin aus?
Weissenberger: Wir sind die gesetzliche Interessenvertretung aller Unternehmen in Österreich. Unsere Mitglieder reichen von der mobilen Friseurin bis zum Stahlkonzern – und unser Anspruch ist, alle gut zu vertreten.
Mandl: Dabei sind wir gefragt, die unterschiedlichen Interessen der Mitglieder auszutarieren, um anschließend mit einer Stimme sprechen zu können. Als Sozialpartnerin sind wir ein wichtiger gesellschaftlicher Player. Wir agieren im Spannungsfeld von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, ohne einer dieser Dimensionen ausschließlich anzugehören. Zu unseren Aufgaben gehört es, dass wir fundierte Auskünfte über unterschiedlichste Materien wie technologische Entwicklungen, wirtschaftliche oder juristische Zusammenhänge geben.
Weissenberger: Eine weitere Besonderheit ist, dass wir mit der Außenwirtschaft Austria in 70 Ländern dieser Welt Büros unterhalten, die den Export fördern und Investitionen nach Österreich bringen. Dieses Netzwerk ist für Österreich extrem wichtig, da unsere Wirtschaftsleistung zu 60 Prozent direkt oder indirekt mit dem Export zusammenhängt. Auch wir als Organisation profitieren enorm von dem Wissen der Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland. Das macht die WKÖ als Arbeitgeberin einmalig.
Warum haben Sie sich auf den Weg zu einer Arbeitgebermarkenstrategie gemacht?
Weissenberger: Die WKÖ ist eine traditionelle Organisation – uns gibt es seit 1946 –
und unser Image am Arbeitsmarkt ist gut, aber wir gelten nicht als modern. Gleichzeitig sind auch wir vom Fachkräftemangel betroffen. Daher wollten wir eine Arbeitgebermarkenstrategie entwickeln, die uns darstellt, wie wir sind – mit allen Chancen, die wir bieten.
Wie sind Sie vorgegangen, um diesen Prozess zu starten?
Mandl: Wir haben uns entschlossen, das Projekt gemeinsam zu leiten, weil HR und Kommunikation im Arbeitgebermarketing wichtig sind. Zusätzlich haben wir uns mit der Agentur Brainds externe Unterstützung gesucht. Sie hat uns dabei geholfen, den Prozess aufzusetzen. Dabei haben wir rund 70 Personen aus allen Bereichen und Ebenen der Organisation eingebunden – und sind mit ihnen über mehrere Monate hinweg in einen intensiven Austausch gegangen, in dem wir viel über uns gelernt haben.
Weissenberger: Dieser Prozess war nicht einfach, es wurde viel diskutiert. Aber dabei hat sich herauskristallisiert, dass genau diese Diskussionskultur eine Stärke unserer Organisation ist. Eine unserer Kernaufgaben war immer schon der Interessensausgleich zwischen den unterschiedlichen Branchen, dann der Interessensausgleich mit der Arbeitnehmerseite. Wenn ich ein Projekt für den Handel umsetze, muss ich im Vorfeld klären, was mein Vorhaben für die Lebensmittelindustrie und andere Bereiche der Wirtschaft bedeutet. Die jeweiligen Branchen verfolgen oft unterschiedliche Interessen. Es gibt also bei uns immer Diskussionsstoff. Diese Auseinandersetzungen wurden früher auch als Hindernis gesehen, das uns unbeweglicher macht. Im Zuge des Arbeitgebermarkenprozesses wurde uns aber klar, dass es sich dabei um einen großen Vorteil handelt. Wir sind diskursfreudig und kritikfähig. Das macht uns aus – und das lieben die Kolleginnen und Kollegen an der Arbeit hier: sich beteiligen, eine Position ausstreiten und einen konstruktiven Kompromiss finden. Ich finde, das Schönste an dem Prozess war, dass sich ein vermeintlicher Klotz am Bein plötzlich in einen Turbo verwandelt hat. Insofern hat das Ergebnis den Prozess widergespiegelt.
Wie lautete das Ergebnis – und was beinhaltet die Arbeitgebermarke?
Weissenberger: Wir haben unsere Arbeitgebermarke so definiert, dass im Zentrum die Menschen stehen, die gemeinsam Großes für die österreichische Wirtschaft hier und in der Welt gestalten wollen. Menschen, die ein klares Ziel vor Augen haben und mit ihrer Schaffenskraft, ihren Unterschieden und ihren Expertisen gemeinsam zu einem größeren Ganzen kommen, ihre Meinungen austauschen, ausstreiten und dann einen Konsens finden, der größer ist als die Einzelteile.
Sie haben von dieser Arbeitgebermarke den Claim „Kannst du es denken, kannst du es schaffen!“ abgeleitet. Was drückt er aus?
Mandl: In diesem Claim findet sich einerseits die geistige Arbeit wieder, die für uns als Wissensorganisation wichtig ist, aber auch die Umsetzung. Im Wort „Schaffen“ steckt einerseits das gestalterische „Erschaffen“ von etwas, anderseits aber auch das Überwinden von Hürden. Beides passt gut zu uns. Auch wenn der Claim ungewöhnlich ist, hat ihn niemand in der gesamten Freigabekette infrage gestellt. Wir haben dafür viel positives Feedback bekommen.
Sagt der Claim auch aus, dass es Freiräume braucht, um Neues zu denken?
Weissenberger: Das steckt tatsächlich in diesem Claim – und ist extrem wichtig für uns. Ich führe beispielsweise mit neuen Kolleginnen und Kollegen in der Onboardingphase jeweils ein Gespräch über den Claim und ermutige sie, Ideen einzubringen. Zeit und Raum zu geben, diese umzusetzen, ist im Alltagsgeschäft zwar nicht immer einfach. Aber der Claim erinnert uns daran, wie wichtig es ist, diese Freiräume zu bieten.
Mandl: Ein Beispiel für ein solches “freies” Projekt betrifft das Thema Gesundheit. Dazu haben wir viele Angebote und Initiativen. Eine Kollegin hat sich für diese Thematik interessiert und auf eigene Initiative hin alle internen Stakeholder zusammengeführt. Sie hat einen Gesamtüberblick erstellt, was wir im Bereich Gesundheitsmanagement machen und wo es Bedarf gibt. Wir organisieren etwa Gesundheitstage oder hatten zuletzt eine Kampagne zum Welt-Autismus-Tag. Solche Aktivitäten sind aus meiner Sicht ausgesprochen wichtig. Denn sie geben den Menschen das Gefühl, dass sie sich mit ihrer ganzen Person bei der Arbeit einbringen können. Es kostet Energie, wenn ich verschweigen muss, dass ich ein autistisches Kind zu Hause habe oder chronisch krank bin. Daher ist es für Arbeitgeber sehr wichtig, in dieser Hinsicht Signale zu senden – und die Initiative der Kollegin hat das befördert.
Weissenberger: Unser Claim erwacht bei den unterschiedlichsten Themen zum Leben. Besonders gut funktioniert das bei uns bei Zukunftsthemen wie Generative KI, New Work, in der Produktentwicklung wie etwa bei unseren Tiktok-Kanälen, aber auch bei der internen Kommunikation und bei Großevents. Wenn die Kolleginnen und Kollegen den Freiraum haben, sich etwas auszudenken, vorauszudenken, dann schaffen sie die tollsten Dinge und wir gemeinsam den Sprung in die neue Welt.
Wie zeigt sich die Arbeitgebermarke im Recruiting?
Mandl: Als die Arbeitgebermarke stand, haben wir uns den gesamten Recruitingprozess angesehen, um zu schauen, wie gut er noch zu uns passt. Dann haben wir Texte und Bilder auf der Website erneuert und Videos mit Mitarbeitenden gedreht, die über ihre Arbeit berichten. Auch unser Onboarding haben wir neu gestaltet. Vor dem ersten Arbeitstag erhalten neue Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel heute eine Online-Schulung mit Informationen über uns. Am ersten Arbeitstag steht dagegen das Kennenlernen der Teams und Führungskräfte im Vordergrund.
Wie geht die Reise in Sachen Arbeitgebermarke weiter?
Mandl: Nachdem wir in den bisherigen Arbeitgebervideos primär eine jüngere Zielgruppe angesprochen haben, wollen wir uns in der nächsten Phase der Kampagne stärker auf erfahrene Menschen fokussieren, damit auch sie sich wiederfinden.
Intern haben wir begonnen, Führungskräfte-Workshops anzubieten, in denen wir uns mit der Arbeitgebermarke auseinandersetzen. Außerdem wollen wir Angebote für Kolleginnen und Kollegen schaffen, die schon länger für uns arbeiten – beispielsweise Mentoringprogramme oder andere Entwicklungsmöglichkeiten.
Weissenberger: Wir werden heuer auch Corporate Influencer ausbilden, indem wir LinkedIn-Kurse anbieten, die vermitteln, wie man sich auf der Plattform besser positionieren kann. Das fördert die persönliche Entwicklung und gleichzeitig das Arbeitgeberimage. Zudem arbeiten wir an einem Format, das „Open WKÖ“ heißt, einer Recruitingveranstaltung für Universitätsabsolventinnen und -absolventen sowie Studierende. Ihnen wollen wir unseren Spirit vermitteln – über ein Programm, das auch etwas mit Denken, Austausch und Diskutieren zu tun haben wird. Aber hier sind wir noch in der Designphase.
Quelle: Fachzeitschrift personal manager 3/24
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