Das richtige Mindset: Ein Schlüssel für den digitalen Wandel

Das digitale Mindset

Die digitale Transformation ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern prägt bereits unser tägliches Leben und Arbeiten. Doch es reicht nicht aus, digitale Werkzeuge einfach nur bedienen zu können – entscheidend ist die innere Haltung, mit der wir uns dem digitalen Wandel stellen. Was macht dieses „digitale Mindset“ aus und welchen Einfluss hat es auf unser Verhalten?

Das digitale Mindset umfasst

  • die Art und Weise, wie wir digitale Techno-logien wahrnehmen,
  • unsere Fähigkeit, uns an sie anzupassen, sowie
  • unsere Bereitschaft, sie effektiv zu nutzen.

Diese Definition zeigt bereits, dass ein digitales Mindset weit über die rein technische Kompetenz hinausgeht. Es ist eine Form von kognitiver Flexibilität, die es uns erlaubt, uns kontinuierlich auf neue Technologien und digitale Umgebungen einzulassen, ohne dabei von der Geschwindigkeit der Veränderung überwältigt zu werden.

In meinem Forschungsprojekt, gefördert von der Stadt Wien, beschäftige ich mich mit der Frage, wie sich dieses Mindset fördern lässt, um Menschen auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Denn gerade in der Arbeitswelt zeigt sich immer wieder, dass die bloße Fähigkeit, ein Tool zu beherrschen, nicht ausreicht – es ist die innere Bereitschaft, sich auf digitale Veränderungen einzulassen, die den Unterschied macht. Der Erfolg eines Unternehmens hängt oft davon ab, inwieweit die Mitarbeitenden ein solches Mindset entwickeln und anwenden können.

Neugier schlägt Fachkenntnis: die Geschichte von Erna

Lassen Sie mich mit einer kleinen Anekdote beginnen. Erna, 68 Jahre alt, lebt in einem kleinen Ort im Burgenland. Ihre beruflichen Wurzeln liegen in der Schneiderei, doch die letzten zwölf Jahre vor ihrer Pension war sie im Sozialbereich tätig. Erst spät – und auf sanften Druck ihrer Enkel – begann sie, digitale Technologien zu nutzen. Heute ist ihr Smartphone aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken: Strickmuster suchen, Videotelefonate führen, ihre Gesundheit mit Apps im Blick behalten – Erna zeigt, dass digitale Neugier keine Frage des Alters ist. Sie hat ein stark ausgeprägtes digitales Mindset entwickelt, das ihr hilft, sich selbstsicher im digitalen Raum zu bewegen.

Was mich an Erna besonders beeindruckt hat, ist ihre Fähigkeit, digitale Werkzeuge nicht nur zu erlernen, sondern sie auf ihre individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden. Diese Geschichte zeigt, dass es nicht nur um technische Fähigkeiten geht, sondern um eine grundsätzliche Offenheit gegenüber neuen Möglichkeiten. Ernas Reise in die digitale Welt ist ein Paradebeispiel für ein wachstumsorientiertes Mindset – eine Einstellung, die sich nicht auf die Frage beschränkt, was wir wissen, sondern darauf, wie wir mit neuen Situationen und Herausforderungen umgehen. Dieses Mindset ist nicht auf technologische Fähigkeiten beschränkt, sondern auf den Umgang mit Veränderungen insgesamt.

Das digitale Mindset – mehr als digitale Kompetenz

Die Forschung zum digitalen Mindset hat sich bisher stark auf die Verbesserung von digitalen Kompetenzen konzentriert. Doch das greift zu kurz. Es geht nicht nur darum, welche Tools wir bedienen können, sondern darum, wie wir diese nutzen und welche Einstellung wir dabei haben. Das digitale Mindset ist der kognitive Rahmen, innerhalb dessen wir unsere Interaktionen mit digitalen Technologien wahrnehmen und bewerten. Es umfasst nicht nur technisches Wissen, sondern auch Eigenschaften wie Neugier, Offenheit und Experimentierfreude. Wer ein digitales Mindset besitzt, ist nicht nur in der Lage, sich an neue Technologien anzupassen, sondern erkennt auch die Chancen, die diese Technologien mit sich bringen.

Diese Denkweise ist entscheidend, um sich in einer Welt zu behaupten, die sich ständig verändert und in der neue Technologien immer schneller Einzug halten. Ein wachstumsorientiertes Mindset ist Teil dieses Rahmens, aber nicht alles. Denn es geht auch darum, flexibel zu bleiben, Frustrationstoleranz zu entwickeln und sich kontinuierlich weiterzubilden – ohne dabei den Überblick zu verlieren. Die Fähigkeit, sich selbst weiterzuentwickeln und neue Technologien nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu betrachten, ist ein wesentlicher Bestandteil dieses kognitiven Rahmens.

In der digitalen Arbeitswelt wird oft erwartet, dass Mitarbeiter:innen nicht nur mit den neuesten Tools und Plattformen vertraut sind, sondern auch eine hohe Anpassungsfähigkeit an den digitalen Wandel mitbringen. Die sich daraus ableitenden Erwartungen an Mitarbeiter:innen können hohe Frustration auslösen. Ein stark ausgeprägtes digitales Mindset kann helfen, diese Herausforderungen zu meistern, indem es die Grundlage für kontinuierliches Lernen und Anpassung schafft. Es ermöglicht den Menschen, digitale Veränderungen nicht als Belastung, sondern als eine natürliche Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten zu sehen.

Digitales Selbstbild als Schlüsselkomponente

In meiner Forschung zum digitalen Mindset zeigt sich, dass das digitale Selbstbild eine zentrale Rolle spielt. Wie wir uns selbst in Bezug auf unsere digitalen Fähigkeiten wahrnehmen, beeinflusst maßgeblich, wie wir mit neuen Technologien umgehen. Diese Erkenntnis ist besonders wichtig, wenn es darum geht, Menschen zu motivieren, sich neuen digitalen Herausforderungen zu stellen. Wer ein positives digitales Selbstbild hat, wird sich eher auf neue Technologien einlassen und diese als Bereicherung erleben.

Ein Beispiel aus einer unserer Interviewstudien veranschaulicht das besonders gut: Eine Teilnehmerin, die in ihrer täglichen Arbeit gegen ihren Willen mit digitalen Tools arbeiten muss, beschrieb, wie sie diese als „unnötig“ empfindet. Gleichzeitig nutzt sie digitale Werkzeuge in ihrem Privatleben recht häufig, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Diese kognitive Dissonanz – der Widerspruch zwischen ihrem negativen digitalen Selbstbild und ihrem tatsächlichen Verhalten – löst sie auf, indem sie die privat verwendeten digitalen Tools im Interview abwertet. So sagt sie etwa über ihren Staubsaugerroboter: „Ja, ich habe einen, aber der putzt nicht richtig.“ Durch solche Abwertungen hält sie ihre kritische Haltung gegenüber digitalen Technologien aufrecht und bleibt ihrem Selbstbild, „nicht digital“ zu sein, treu, obwohl sie digitale Tools nutzt.

Diese Art von Selbstwahrnehmung zeigt, wie stark das digitale Selbstbild unser Verhalten beeinflussen kann. Wenn Menschen digitale Technologien eher ablehnend betrachten, obwohl sie sie nutzen, bedeutet das, dass sie sich selbst in ihrer digitalen Kompetenz unterschätzen. Dies kann dazu führen, dass sie sich bei neuen Technologien unsicher fühlen oder sie als unnötig abtun. Um ein starkes digitales Mindset zu entwickeln, ist es daher wichtig, dass das digitale Selbstbild positiv gestaltet wird.

Generationenklischees aufbrechen: Lukas’ Geschichte

Ein weiteres Beispiel ist Lukas, 25 Jahre alt und BWL-Absolvent. Im Gegensatz zu Erna hat Lukas seit seiner Kindheit Zugang zu den neuesten Technologien. Dennoch ist sein Verhältnis zur digitalen Welt kritisch. Er sieht soziale Medien als oberflächlich und zieht es vor, Technologien nur minimal zu nutzen. Sein digitales Selbstbild spiegelt diese Zurückhaltung wider: Für Lukas ist Technologie eher ein notwendiges Übel, das er zwar beherrscht, aber bewusst distanziert nutzt. Diese bewusste Distanzierung zeigt, dass ein hohes Maß an technischer Kompetenz nicht zwangsläufig zu einem ausgeprägten digitalen Mindset führt. Das Beispiel verdeutlicht, dass auch junge Menschen, die als „Digital Natives“ gelten, ein eingeschränktes digitales Selbstbild haben können.

Gerade bei Lukas wird deutlich, wie wichtig es ist, die Rolle von Werten und persönlichen Überzeugungen in Bezug auf digitale Technologien zu verstehen. Obwohl er technisch versiert ist, empfindet er digitale Tools nicht als bereichernd, sondern als störend. Diese Haltung kann ihn daran hindern, sich voll in digitale Arbeitsprozesse zu integrieren und das Potenzial der Technologien zu erkennen. Sein Beispiel zeigt, dass auch jüngere Generationen nicht automatisch ein positives digitales Mindset entwickeln, sondern dass es aktiv gefördert werden muss.

Digitales Mindset fördern – Vielfalt anerkennen

Für HR-Professionals und Unternehmen bedeutet dies, dass die Förderung eines digitalen Mindsets eine individuelle Herangehensweise erfordert. Es gibt keine One-Size-fits-all-Lösung. Der digitale Wandel stellt uns alle vor Herausforderungen, aber der Erfolg hängt davon ab, wie gut wir uns darauf einlassen. Eine Umgebung, die die Vielfalt digitaler Einstellungen anerkennt und fördert, ist der Schlüssel. Gleichzeitig müssen wir den Mythos entkräften, dass die junge Generation per se digital versierter ist.

Lassen Sie uns also gemeinsam daran arbeiten, das digitale Mindset zu kultivieren und weiterzuentwickeln. Egal, ob wir wie Erna neugierig und mutig die digitalen Möglichkeiten erkunden oder wie Lukas abwägen, wann und wie wir Technologien einsetzen – es geht darum, eine wachstumsorientierte Einstellung zu bewahren und offen für Veränderungen zu sein. Die Förderung eines positiven digitalen Selbstbildes ist dabei ein zentraler Baustein, um Menschen für den digitalen Wandel zu stärken.

// Fazit
Das digitale Mindset ist kein statisches Konstrukt, sondern eine Haltung, die wir aktiv fördern müssen. Nur so schaffen wir eine Zukunft, in der digitale Kompetenz nicht nur ein Vorteil, sondern eine Grundlage für Wachstum und Innovation ist. Unternehmen und Organisationen, die diesen Prozess aktiv unterstützen, werden langfristig erfolgreicher sein und die digitale Transformation besser meistern.

Dieser Artikel stammt aus der personal manager Ausgabe 6/24

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Barbara Waldhauser

Professorin bei FH Wien
Professorin für Forschungsmethodik an der FH Wien des BFI Wien, inhaltliche Leiterin des Forschungsprojekts „Digital Mindset. Ein Rahmen für die Messung und Entwicklung individueller Denkstrukturen in der Digitalen Transformation“