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Kindness Economy: Wirtschaft am Menschen ausrichten

Interview mit Oona Horx Strathern.

People, Planet, Profit: Die Unternehmen der Kindness Economy nehmen dieses Motto ernst. Für sie haben Mitarbeitende und Kunden höchste Priorität. Wie das in der Praxis ausschaut, beschreibt die Trendforscherin, Beraterin, Keynote und Autorin Oona Horx Strathern im Interview.

Frau Horx Strathern, Sie plädieren für eine Art des Wirtschaftens, die Sie als Kindness Economy beschreiben. Was verbirgt sich hinter dem Begriff?

An dem Begriff Kindness Economy fasziniert mich, dass er so widersprüchlich klingt. Denn wir verbinden Wirtschaft nicht mit Kindness, sondern mit Profit. Vieles in der Wirtschaft ist eher „unkind“, weil Unternehmen Umsatz und Gewinn vor den Menschen und den Planeten stellen. Die Kindness Economy dreht das komplett um. Die Menschen – also Kunden und Mitarbeitende – haben für sie oberste Priorität. Es folgt die Umwelt und erst dann geht es um den Profit.

Im Prinzip setzt sie auf soziale Nachhaltigkeit – auf verschiedenen Ebenen: der privaten, der beruflichen, der Community, der Stadt. Der Grundgedanke ist, dass wir Menschen besser für eine Sache gewinnen können, wenn wir sie zunächst mit ihren Anliegen und Wünschen abholen. Ich bin zum Beispiel überzeugt davon, dass Menschen erst dann bereit sind, sich für ökologische Nachhaltigkeit einzusetzen, wenn sie selbst zufrieden sind und ihre Grundbedürfnisse erfüllt werden.

Wie lässt sich dieser Ansatz im Unternehmen umsetzen?

Wir brauchen neue Regeln, eine neue Arbeitskultur und neue Messinstrumente für unternehmerischen Erfolg. In der Zukunft brauchen wir neben Key Performance Indicators auch Kindness Performance Indicators. Wir müssen Werkzeuge entwickeln, die dazu beitragen, die Kindness Economy voranzubringen. Welche das sind, muss jede Firma für sich selbst herausfinden. Unternehmen können zum Beispiel Pilotprojekte zur Viertagewoche starten, um zu prüfen, ob sie Engagement, Zufriedenheit und Profit steigern können, wenn die Leute vier statt fünf Tage pro Woche arbeiten. Möglicherweise gestalten sie ihre Büros um oder bieten mehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes. Letztlich geht es nicht um die einzelnen Tools an sich, sondern um eine gute Beziehung, um Vertrauen. Das zeigt die Return-to-Office-Debatte. Wenn wir den Menschen grundsätzlich vertrauen, dass sie gut mitarbeiten, erhalten wir viel zurück.

Gibt es internationale Beispiele, von denen wir in dieser Hinsicht lernen können?

In Schweden haben die Menschen zum Beispiel das Recht, vier Wochen hintereinander in Urlaub zu gehen. Das ist in vielen Firmen hierzulande nicht oder nur in Ausnahmefällen möglich. Außerdem können Unternehmen in Schweden ihren Beschäftigten eine steuerfreie „Wellness-Pauschale“ von umgerechnet rund 440 Euro pro Jahr bieten, die man zum Beispiel für Yogakurse oder Massagen ausgeben kann.

Welche Rolle spielen die Kundinnen und Kunden in der Kindness Economy?

Sie haben – wie die Mitarbeitenden – oberste Priorität. Und wie bei der Mitarbeiterbindung spielt Vertrauen für die Kundenbindung eine zentrale Rolle. Dieses Vertrauen entsteht, wenn wir transparent und glaubwürdig handeln, also zum Beispiel kein Kindwashing und Greenwashing betreiben. Immer mehr Menschen – vor allem aus den jüngeren Generationen – schauen sich mittlerweile sehr genau an, wo sie kaufen und welche Werte ein Unternehmen vertritt. Daher werden auch verlässliche Zertifizierungen wichtiger. Ein Beispiel ist die Benefit-Corporation-Zertifizierung (B Corp), die sehr stark an Bedeutung gewinnt. Firmen, die diese Zertifizierung haben, werden in regelmäßigen Abständen daraufhin geprüft, ob ihre Praktiken noch sozial- und umweltverträglich sind. Das heißt, sie müssen am Ball bleiben. So lässt sich eine vertrauensvolle Beziehung zu den Kundinnen und Kunden aufbauen: durch Vertrauen, Transparenz und Kindness.

Welche Vorreiterinnen gibt es für die Kindness Economy? Und was machen diese Unternehmen anders als andere?

Ein einflussreicher Vorreiter ist Patagonia. Das Unternehmen hat schon in den 1970er-Jahren begonnen, eine Kind Company zu sein, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Der Gründer Yvon Chouinard war ein begeisterter Surfer und wollte nicht nur arbeiten, sondern zwischendurch auf sein Board, wenn die Wellen gut waren. Diese zeitliche Flexibilität hat er auch seinen Mitarbeitenden zugestanden, die sich ihre Arbeitszeit frei einteilen konnten. Das war in den 70er-Jahren in Kalifornien sehr ungewöhnlich. Er hat auch einen Betriebskindergarten gegründet und dadurch viele Frauen als Mitarbeiterinnen gewinnen können. Später hat er gesagt, dass dieser Kindergarten eines seiner besten Produkte war. Mittlerweile ist seine Firma Patagonia mehrere Milliarden Dollar wert – und sie steht vor allem für das Ökologische. Denn sie setzt auf nachhaltige Produkte und stiftet 1 Prozent des Umsatzes an Umweltprojekte. Dahinter liegt aber die Idee, dass man Profit erwirtschaften kann, wenn man die Leute gut behandelt und eine gute Arbeitskultur aufbaut.

Ein anderes Beispiel, das ich sehr mag, ist eine Supermarktkette in Holland. Das Unternehmen hat festgestellt, dass viele ältere Menschen auch deshalb in einen Supermarkt kommen, weil sie einsam sind und Gesellschaft suchen. Daher hat es ein paar Kassen aufgemacht, an denen es langsamer zugeht. Die Kassen sind mit einem lächelnden Gesicht markiert, und die Leute haben dort Zeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Davon profitieren auch die Kassiererinnen und Kassierer. Für die Supermarkkette haben sich die neuen Kassen ausgezahlt, denn sie konnten mehr Kundinnen und Kunden gewinnen.

Welche Hebel hat die Personalarbeit, um Veränderungen wie diese umzusetzen?

HR hat einen großen Einfluss auf die Arbeitsorganisation. Es gibt ein superinteressantes Beispiel, das Susan Pinker in ihrem Buch „The Village Effect“ beschreibt. Es geht um eine große amerikanische Firma, die Callcenter betreibt. Für ihre ungefähr 25.000 Mitarbeitenden hatte sie ein Pausenmanagement, nach dem Leute aus unterschiedlichen Teams zusammen in die Pausen gegangen sind. Weil die Stimmung in diesem Unternehmen so schlecht war, haben die Verantwortlichen versucht, die Arbeit so umzuorganisieren, dass die Teams gemeinsam eine Pause machen konnten. Allein dadurch hat sich der Teamgeist deutlich gebessert. Die Leute waren entspannter und zufriedener. Im Endeffekt wurde auch der Austausch mit den Kundinnen und Kunden besser und der Profit dieser Firma ist deutlich gestiegen – nur durch das Umorganisieren von Pausen. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig Austausch sein kann.

Andere Unternehmen gestalten ihre Büros zu Kommunikationsorten um, in denen Menschen besser ins Gespräch kommen können. Im Officedesign geht es heute nicht mehr wie in den 1990er-Jahren um Bällebäder und Rutschen, sondern um mehr Gemütlichkeit und Komfort. Einige Firmen richten in ihren Büroräumen Küchen ein. Andere lassen Mitarbeitende zu Baristas ausbilden. Das hat erst mal nichts mit der Arbeit zu tun, aber fördert Wohlbefinden, Interaktion und Kreativität. Denn wenn Leute zusammenkommen, die sich normalerweise nicht treffen, kann das neue Ideen fördern.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten steht Mitarbeiterorientierung oft nicht mehr im Fokus. Wie sehen Sie die Chancen, dass sich die Kindness Economy als Prinzip weiter durchsetzt?

Wir sehen derzeit eine sehr starke gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Spaltung. In der Wirtschaft beobachten wir eine Polarisierung zwischen der „Unkind Economy“, die auf Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen basiert, und den Unternehmen der Kindness Economy, die sich um ihre Leute kümmern. Die Kindness Economy ist im Prinzip ein Gegentrend zur Unkind Economy. Anstatt zu klagen, dass es so schwer ist, gute Leute zu bekommen, schauen Unternehmen der Kindness Economy auf die Bedürfnisse der Menschen. Diese wollen möglicherweise nicht mehr 50 Stunden die Woche arbeiten, aber sich für eine Firma engagieren, die Verantwortung übernimmt und transparent agiert.

Wie können wir diese soziale Verantwortung fördern?

Wir brauchen eine Auseinandersetzung mit sozialen Themen – und zwar schon sehr früh. In Irland wird gerade versucht, Kindern im Rahmen eines landesweiten Schulprogramms Empathie beizubringen. Denn Empathie lässt sich lernen. Kinder können das, Erwachsene ebenfalls. Auch in Firmen wären solche Trainings hilfreich. Denn wir leben in einer Zeit, in der die Menschen sehr stark polarisiert sind. Das sehen wir besonders deutlich auf Social Media. Dort gibt es entweder Wut oder Liebe. Die Idee, Menschen mit verschiedenen Meinungen zusammenzubringen, damit sie lernen, Standpunkte sachlich zu diskutieren, ist nicht nur wichtig für unser Privatleben, sondern auch für unsere Arbeitskultur.

Literaturtipp:
Kindness Economy: Das neue Wirtschaftswunder. Von Oona Horx. Gabal Verlag 2023.

Dieses Interview stammt aus dem personal manager – Fachzeitschrift für Human Resources – Ausgabe 2/25

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Bettina Geuenich

Chefredakteurin bei personal manager
Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift und des Blogs personal manager. Sie beobachtet seit über 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.
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