Fachkräftemangel, KI im Recruiting und der Wunsch nach mehr Sinn und Flexibilität verändern die Personalsuche. Der folgende Beitrag zeigt praxisnah, welche Faktoren heute über Erfolg oder Misserfolg bei der Talentsuche entscheiden, und gibt 5 Tipps für das Recruiting – von persönlicher Ansprechbarkeit bis zur Pflege von Alumni-Beziehungen.
1. Persönliche Ansprechbarkeit
In einer Zeit, in der Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI) im Recruiting zunehmen, gewinnt die persönliche Ansprechbarkeit an Bedeutung. Denn während Technologien wie Chatbots, Bewerber-Tracking-Systeme und KI-gestützte Auswahlverfahren Effizienzsteigerungen versprechen, sollten Unternehmen den Faktor Mensch nicht vernachlässigen. Direkte, empathische Kommunikation kann den Unterschied ausmachen zwischen einer erfolgreichen Personalsuche und dem Verlust von Talenten.
Technologien mögen Effizienz steigern, aber die Algorithmen scheitern oft daran, das Besondere im Allgemeinen zu identifizieren. Sie vereinfachen Auswahlprozesse, können Recruiting-Verfahren aber auch blutleer und entmenschlicht erscheinen lassen. Magic always comes with a price! Kandidatinnen und Kandidaten wünschen sich Ansprache, Authentizität, Kommunikation auf Augenhöhe und Transparenz im Bewerbungsprozess. Arbeitgeber:innen hingegen freuen sich – zumindest kurzfristig – über schlanke und automatisierbare Verfahren, die möglichst wenig menschliche Arbeitskraft in Anspruch nehmen. Bei solch konträren Erwartungen an das Recruiting darf es nicht verwundern, wenn das Ergebnis am Ende oft weniger zufriedenstellend ist, als erwartet, und der Erfolg bei der Talentefindung auf sich warten lässt.
Dies gilt umso mehr, weil auch die Kandidatinnen und Kandidaten ihre Bewerbungen zunehmend standardisieren – bis hin zu dem Punkt, an dem sie Bewerbungsunterlagen nur noch von generativer KI erstellen lassen. So ziehen sich auch die Jobsuchenden immer mehr aus dem Bewerbungsprozess heraus. Passende Talente zu finden, wird dadurch nicht leichter.
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die verstanden haben, wie wichtig der persönliche Austausch entlang der Candidate Journey ist, kommunizieren auf ihrer Karriere-Website Kontaktmöglichkeit zu Ansprechpersonen aus dem Recruiting. Auch in der Stellenanzeige ist es wichtig, einen Kontakt zu nennen, so wie es immerhin 58 Prozent der BEST-RECRUITERS-Stichprobe in Österreich machen.
So bieten Sie mehr Ansprechbarkeit im Recruiting:
- Persönliche Kontakte: Nennen Sie in der Stellenausschreibung und auf der Karriereseite Kontaktdaten von zuständigen Recruiter:innen inklusive E-Mail-Adresse und Telefonnummer.
- Schnelle und personalisierte Rückmeldungen: Geben Sie in automatisierten Eingangsbestätigungen ebenfalls eine persönliche Kontaktperson an, die während des gesamten Bewerbungsverfahren dieselbe sein sollte (one face to the candidate).
- Verfügbarkeit für persönliche Gespräche: Nutzen Sie neben digitalen Tools auch persönliche Gespräche im Recruiting, sei es telefonisch oder per Video-Call, um eine tiefere Verbindung aufzubauen.
- Feedbackkultur etablieren: Geben Sie konstruktives Feedback, auch bei Absagen. Dies zeigt Respekt und kann die Beziehung zum Unternehmen langfristig positiv beeinflussen. Konstruktives Feedback könnte etwa darin bestehen, klar zu benennen, welche Fähigkeiten und Qualifikationen gut gepasst haben und welche Anforderungen noch nicht ausreichend erfüllt wurden. Dabei sollte stets wertschätzend kommuniziert werden. Ergänzend kann ein konkreter Tipp gegeben werden, welche Kompetenzen für zukünftige Bewerbungen gezielt gestärkt werden sollten. Dies vermittelt Respekt und bietet dem Bewerber eine echte Hilfestellung für weitere Karrierewege.
- Transparenz über den Bewerbungsprozess: Informieren Sieschon im Erstgespräch über die einzelnen Schritte im Recruitingprozess und geben Sie den Kandidaten und Kandidatinnen regelmäßige Updates zum weiteren Vorgehen.
Best Practice: Wolf Theiss
Auf der Karriereseite der Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG stellt sich das gesamte Recruiting-Team vor. Neben persönlichen E-Mail-Adressen steht auch ein allgemeiner Kontakt zur Verfügung; die Fotos sprechen für Individualität und laden zur Kontaktaufnahme ein. (www.wolftheiss.com/your-career/hr-contacts/).
2. Leadership und Sichtbarkeit von Führungskräften
Einblicke in die Organisation können Unternehmen auch über die Führungskräfte bieten. Aktuell informiert nur ein Drittel der größten Unternehmen Österreichs (38 Prozent) im Recruiting über die eigene Führung und Führungskultur; in Stellenanzeigen sind es sogar nur 2 Prozent.
Dabei prägen Führungskräfte maßgeblich die Kultur eines Unternehmens. Sie beeinflussen Zufriedenheit, Motivation und Produktivität der Mitarbeitenden. Kandidatinnen und Kandidaten wissen das und suchen nach Informationen, um die Leadership-Kultur potenzieller Arbeitgeber:innen einschätzen zu können. Schließlich wechseln viele wegen schlechter Erfahrungen mit der Führungskraft den Job.
So machen Sie Führungskräfte in ihrem Arbeitgeberauftritt sichtbar:
- Testimonials von Führungskräften veröffentlichen: Lassen Sie Führungskräfte persönlich zu Wort kommen, um Erfahrungen, Werte und Führungsprinzipien glaubhaft zu vermitteln.
- Führungsgrundsätze kommunizieren: Erläutern Sie die Führungsprinzipien anschaulich anhand von praktischen Beispielen aus dem Unternehmensalltag.
- Vielfältige, diverse Führungskräfte präsentieren: Stellen Sie die Vielfalt Ihres Führungsteams bezogen auf Geschlecht, Alter, Herkunft und Persönlichkeit in den Vordergrund.
- Transparenz zu Führungskräfteentwicklung und Weiterbildung: Machen Sie Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten sichtbar und zeigen Sie, wie das Unternehmen Führungskompetenz fördert.
Best Practice: Strabag AG
Die STRABAG AG thematisiert auf Ihrer Karriere-Website unterschiedliche Faktoren von Leadership. So beschreibt sie das Programm „Erfolgreiches Baumanagement“, das Führungsqualitäten fördert. Auch die gelebten Führungsprinzipien beschreibt das Unternehmen. (karriere.strabag.com/at/unser-versprechen#perspektiven)
3. Familie ernst nehmen
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ebenfalls ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Unternehmen, die Vereinbarkeit fördern und dies transparent kommunizieren, finden oft leichter geeignete Talente. Denn familienfreundliche Arbeitsbedingungen signalisieren, dass ein Unternehmen die Lebensrealitäten der Beschäftigten anerkennen und unterstützen. Insbesondere Eltern mit kleinen Kindern und generell Mütter, die 2025 noch immer den Großteil der Care-Arbeit leisten, legen Wert auf die Vereinbarkeit von Karriere und Privatleben, wodurch familienfreundliche Angebote zu einem wichtigen Kriterium bei der Arbeitgeberwahl werden.
Laut BEST-RECRUITERS-Studie 2024/25 kommunizieren 48 Prozent der untersuchten österreichischen Unternehmen familienbezogene Angebote. Sie punkten beispielsweise mit einer besonders flexiblen Gestaltung der Elternzeit, fördern Väterkarenz und machen sich für Gleichstellung stark. Einige bieten auch gut organisierte Wiedereinstiegsprogramme, etwa durch Schulungen, Mentoring und adaptierte Arbeitszeiten, die den Übergang zurück ins Berufsleben erleichtern.
Ein klares Bekenntnis zur Familienfreundlichkeit, wie es beispielsweise die Charta Familienfreundlichkeit ausweist, stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden zusätzlich. Entlastend für Eltern wirken betriebliche Kinderbetreuungsangebote oder finanzielle Zuschüsse.
So schaffen Sie familienfreundlicher Angebote:
- Elternzeit und Väterkarenz: Nutzen Siepersönliche Testimonials, um den Umgang Ihres Unternehmens mit Väterkarenzen und Elternzeit aktiv zu kommunizieren und sichtbar zu machen.
- Wiedereinstiegs- und Mentoring-Programme: Schaffen Siestrukturierte Prozesse, die Mitarbeitende beim Wiedereinstieg nach Elternzeiten unterstützen.
- Kinderbetreuungsangebote: Informieren Sie intern wie extern über betriebseigene Kinderbetreuung oder entsprechende Kooperationen, falls vorhanden.
- Kommunikation familienfreundlicher Angebote: Stellen Sie alle familienfreundlichen Angebote auf Karriere-Websites und Employer-Branding-Kanälen dar.
- Authentisches Storytelling: Erzählen SieGeschichten aus Ihrem Unternehmen, die belegen, wie Mitarbeitende oder Führungskräfte Beruf und Familie vereinbaren.
Best Practice: Vienna Insurance Group
„Damit es klein und groß gut geht“: Unter diesen Slogan fasst die Vienna Insurance Group AG Wiener
Versicherung Gruppe ihre Auffassung von Familienfreundlichkeit zusammen. Dass diese kein
Luftschloss ist, unterstreichen viele konkrete Angebote, die das Leben der
Eltern innerhalb der Belegschaft erleichtern. Zitate von Mitarbeiter:innen auf der Website untermauern diese Leistungen. (group.vig/karriere/vielfaeltig-arbeiten/benefits/)
4. Moderne Arbeitsplatzorganisation
Unternehmen sind zunehmend gefordert, auf die Bedürfnisse der Beschäftigten einzugehen. Das gilt für das Thema Familienfreundlichkeit ebenso wie für den Wunsch nach modernen Arbeitsformen. Die Transformation der Arbeitswelt, oft unter dem Begriff „New Work“ zusammengefasst, beschreibt tiefgreifende Veränderungen hin zu flexiblen, innovativen und nachhaltigen Arbeitsweisen.
21 Prozent der in der BEST-RECRUITERS-Studie untersuchten österreichischen Arbeitgeber kommunizieren aktuell den Einsatz moderner Organisationsformen. Dazu gehören mitarbeiterzentrierte Ansätze, die auf Selbstorganisation setzen und die Möglichkeit bieten, das eigene Tätigkeitsfeld mitzugestalten (Jobcrafting). Die starke Orientierung an einem Purpose gewinnt ebenso an Bedeutung wie agile Arbeitsmethoden, zum Beispiel Scrum oder Kanban.
Mitarbeitende wünschen sich Arbeitsbedingungen, die ihrer Lebensrealität entsprechen, Kreativität fördern und gleichzeitig nachhaltig sind. Arbeitgeber:innen, die diese Erwartungen erfüllen, verbessern damit ihre Wettbewerbsfähigkeit erheblich und stärken ihre Arbeitgebermarke.
Dabei spielt auch die Arbeitsumgebung eine wichtige Rolle. Flexible Arbeitsplatzkonzepte, bei denen Mitarbeitende ihren Arbeitsort innerhalb des Büros frei wählen können, fördern Kommunikation und Kreativität. Dies gewährleisten einige Organisationen über Kreativinseln, Denkräume oder Projektbereiche, die intensiven Austausch ermöglichen, während sie andererseits Ruhezonen für konzentriertes Arbeiten schaffen.
So entwickeln Sie eine moderne Arbeitsorganisation
- Flexible Arbeitsräume: Fördern Sie – wenn möglich – individuelle Arbeitsweisen, indem sie separate Zonen für verschiedene Tätigkeiten einrichten, zum Beispiel für Austausch und für konzentriertes Arbeiten.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Schaffen Sieklare Prozesse und Strukturen, die projektbezogenes Arbeiten über Abteilungsgrenzen ermöglichen.
- Agile Methoden: Experimentieren Sie mit agilen Arbeitsweisen und begleiten Sie bei Bedarf Mitarbeitende durch gezielte Schulungen und Coachings bei der Implementierung von Scrum oder Kanban.
- Individuelle Jobgestaltung: Unterstützen Sie die eigenverantwortliche Rollenentwicklung und fördern Sie die persönliche Weiterentwicklung.
Best Practice: dm dialogicum
Mit dem dm dialogicum hat die dm drogerie markt GmbH ein Umfeld geschaffen, um den komplexen und vielschichtigen Aufgabenstellungen der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Dies wird auf der Karriere-Website ansprechend präsentiert. Das dialogicum eröffnet einen Raum für interdisziplinäre Zusammenarbeit, der unter anderem durch das Open-Space- und Desk-Sharing-Konzept sowie Coworking Units und Rückzugsbereiche kreatives und abteilungsübergreifendes Arbeiten ermöglicht und fördert. (www.dm-jobs.com/Austria/content/dialogicum/?locale=de_DE)
5. Beziehungen zu Ehemaligen pflegen
Gerade in engen Arbeitsmärkten gewinnt die Pflege von Beziehungen zu ehemaligen Mitarbeitenden an Bedeutung – ob dies nun Praktikant:innen, Lehrlinge oder Fachkräfte sind. Alumni-Netzwerke dienen dem Wissenstransfer, fördern die Rückkehrbereitschaft und stärken die Arbeitgebermarke durch positive Mundpropaganda. Ehemalige sind wertvolle Multiplikator:innen und Botschafter:innen einer Arbeitgebermarke. Durch ihre Erfahrungen und ihre interne Kenntnis eines Arbeitgebers können sie glaubwürdig und authentisch über ihre Erfahrungen berichten. Alumni-Netzwerke ermöglichen es Unternehmen, von einem Pool erfahrener Fachkräfte zu profitieren, die bereits mit der Unternehmenskultur vertraut sind. Zudem erhöht eine aktive Beziehungspflege die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen zu einem späteren Zeitpunkt erneut zum Unternehmen zurückkommen.
Unternehmen können Ehemalige über formelle oder informelle Veranstaltungen an das Unternehmen binden. Auch digitale Alumni-Plattformen oder regelmäßige Newsletter dienen Kontaktpflege und Austausch. Zudem können sie Alumni in strategische Prozesse oder temporäre Projekte einbinden, um ihr Know-how zu nutzen und ihre Wertschätzung zu verdeutlichen
So bauen Sie ein Alumni-Management auf:
- Communitys aufbauen: Organisieren Sie Alumni-Veranstaltungen, die dem fachlichen und informellen Austausch dienen.
- Digitale Vernetzung und Kommunikation: Bieten Sie digitale Möglichkeiten der Vernetzung an – bis hin zu digitalen Alumni-Plattformen und sozialen Netzwerken für kontinuierliche Beziehungspflege und gezielte Kommunikation von Karriereangeboten.
- Storytelling über erfolgreiche Rückkehrer:innen: Machen Sie authentische Erfolgsgeschichten ehemaliger Mitarbeitender sichtbar, um deren Rückkehrmotivation zu erhöhen.
- Expertennetzwerke und Wissenstransfer: Binden Sie gezielt externe Expert:innen und Alumni in den Wissenstransferprozess zur Förderung von Innovation und Unternehmensentwicklung.
Best Practice: Rauch Fruchtsäfte
Der Rauch Friends Club versammelt all jene, die sich für eine Rückkehr zur oder einen Einstieg bei der Rauch Fruchtsäfte GmbH & Co KG interessieren. Neben dem aktiven Kontakt mit ehemaligen, karenzierten sowie pensionierten Mitarbeiter:innen bietet er auch externen Interessent:innen die Chance auf spezielle Insider-Events sowie den Austausch mit Personen die den Arbeitgeber aus eigener Erfahrung kennen. (www.rauch.cc/at/karriere/rauch-friends-club)
Fazit
Zeitgemäßes Recruiting ist wie das kunstvolle Gestalten eines Mosaiks. Erst wenn jedes Steinchen dort zu liegen kommt, wo es Sinn ergibt und kein wesentlicher Teil fehlt, erzeugt der gesamte Prozess ein stimmiges Bild. Einige dieser tragenden Bausteine sind persönliche Ansprechbarkeit, sichtbare und glaubwürdige Führungskultur, gelebte Familienfreundlichkeit, moderne Arbeitsplatzorganisation und effektive Beziehungspflege zu Ehemaligen. Unternehmen, die diese Aspekte authentisch umsetzen, positionieren sich nachhaltig attraktiv und erfolgreich am Arbeitsmarkt.
// ÜBER DIE STUDIE
BEST RECRUITERS untersucht seit 2010 jährlich die Recruiting-Qualität von mehr als 1.400 der umsatz- und mitarbeitendenstärksten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in der D-A-CH-Region anhand von rund 330 wissenschaftlichen Kriterien entlang der Candidate Journey. In Österreich untersucht BEST RECRUITERS mehr als 550 der größten Unternehmen und Institutionen des Landes.
» www.bestrecruiters.eu