Die Wiener Städtische ist eine der größten Versicherungsgesellschaften Österreichs – und steckt, wie die gesamte Branche, mitten in der Digitalisierung. Wie das Unternehmen die rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Vertrieb auf die digitale Reise mitnimmt, berichtet Isabel Riel im Interview. Die Abteilungsleiterin Personalentwicklung für den Vertrieb in Österreich hat mit ihrem Team eine Akademie auf den Weg gebracht, die Multiplikator:innen für digitale Themen ausbildet.
Frau Riel, wo steht die Wiener Städtische im Bereich Digitalisierung?
Digitalisierung ist für uns ein sehr wichtiges Thema. Wir bieten schon unterschiedlichste digitale Lösungen für unsere Kundinnen und Kunden an. Eine davon ist unser Leuchtturmprojekt, die “Losleben”-App, die mit KI arbeitet. Unter den Versicherungs-Apps in Österreich ist sie am besten bewertet. Kundinnen und Kunden können in der App ihre Rechnungen einreichen oder auch Schäden melden. Dies wird sehr gut angenommen und wir erhalten rund 12.000 Einreichungen pro Woche. Im Personalbereich haben wir seit einiger Zeit eine Pre- und Onboarding-App im Einsatz. Damit schaffen wir es, Neueinsteigerinnen und -einsteiger bestmöglich über das Unternehmen und die einzelnen Bereiche zu informieren. Wir werden weiter am Ball bleiben, soviel ist sicher.
Welche digitalen Skills sind für Ihr Unternehmen besonders wichtig?
Wichtiger als einzelne Skills ist es, “open minded“ zu sein für dieses Thema, die Neugier und der Mut, sich manches selbst anzuschauen und umzusetzen – natürlich im Rahmen der Unternehmensrichtlinien. Es geht um ein grundlegendes Interesse an Zukunftsthemen. Da sich die Tools und die Erwartungen der Kundinnen und Kunden weiterentwickeln, müssen wir verstärkt digital arbeiten und denken. Dabei ist das Mindset ausschlaggebend.
Wie fördern Sie dieses Mindset?
Wir haben im Frühjahr 2024 die „Digi Academy“ ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Blended-Learning-Konzept, also eine Mischung aus digitalen Formaten und Präsenzveranstaltungen. Das Ziel der Academy ist es, digitalaffine Multiplikator:innen – wir nennen sie “Digi Buddies” – auszubilden, die praxisnahe Fähigkeiten erwerben, die sie dann für einen noch effektiveren Arbeitsalltag nutzen. In einem weiteren Schritt geben sie die neu gewonnen Infos an ihre Kolleginnen und Kollegen weiter. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind regional in ganz Österreich verteilt. Über die Digi Buddies wollen wir dieses Wissen in weite Teile unserer Organisation tragen.
Um welche Art von Wissen geht es?
Es geht uns um sehr praktische Life Hacks, die den Vertrieb bei der täglichen Arbeit unterstützen. Wie kann ich zum Beispiel meine Outlook-Funktionen so einstellen, dass mich mein Mailprogramm im Arbeitsalltag optimal unterstützt? Welche Funktionen meines Handys kann ich nutzen, um zwischen zwei Kundenterminen schnell Notizen zu schreiben oder mir eine Erinnerung zu setzen? Diese Tricks und Kniffe wollen wir in Schulungen weitergeben.
Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben zunächst einen Aufruf gestartet, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, die eine gewisse digitale Affinität mitbringen und gerne an den Weiterbildungen teilnehmen. Teilweise waren es Leute, die schon länger „inoffiziell“ Ansprechpartner für dieses Thema waren – und sich nun gefreut haben, dass wir dieser Funktion einen Namen geben und sie entsprechend schulen. Mittlerweile haben wir rund 100 Digi Buddies nominiert. Der Kick-off hat im vergangenen Frühjahr online stattgefunden. Im Anschluss gab es Präsenzschulungen mit einem Trainer, der unser Unternehmen und unsere Produkte gut kennt.
Wie geben die Digi Buddies ihr Wissen weiter?
Das geschieht über unterschiedliche Kanäle. Teilweise über Jour-fixes oder Teammeetings, teilweise über den persönlichen Austausch mit einzelnen Kolleginnen und Kollegen. Wir versorgen die Digi Buddies über die Trainings mit einheitlichen Unterlagen, die sie nutzen und teilen können. Für 2025 planen wir viele weitere tolle Initiativen, um unsere Digi Buddies noch fitter zu machen.
Wie gewährleisten Sie, dass die Inhalte für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich relevant sind?
Wir haben eine Umfrage unter den Digi Buddies gemacht, um abzufragen, ob wir thematisch richtig liegen – und in Schulnoten gesprochen eine 1,9 als Feedback bekommen. Bei der Projektgestaltung für das kommende Jahr war uns auch wichtig, über die Umfrage die Digi Buddies mitreden zu lassen. Es wurden sehr konkrete Themen eingemeldet, die für sie im Vertriebsalltag wichtig sind. Um weiterhin praxisnah weiterbilden zu können, arbeiten wir entlang dieser Themen, die aus dieser Community kommen.
Was ist aus Ihrer Sicht der Vorteil eines solchen Konzepts?
Einen großen Vorteil für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehe ich darin, dass sie mit den Digi Buddies nun weitere Ansprechpartner:innen für digitale Praxishemen vor Ort haben. Zum anderen versprechen wir uns von diesem Modell, dass die Digi Buddies den digitalen Themen in der Organisation einen positiven Schub geben, weil es cool wird, sich damit auseinander zu setzen. Zudem sind wir über die Digi Academy auf Themen gekommen, die wir jetzt in die Grundausbildung des Außendienstes integrieren werden. So führt die Digi Academy auch zu einer Optimierung anderer Lern- und Onboardingformate.
Welche Tipps können Sie anderen Unternehmen geben, die ähnliche Projekte auf den Weg bringen möchten?
Wichtige Erfolgsfaktoren sind voll hinter dem Projekt zu stehen und gut einschätzen zu können, wie man die Brücke zwischen dem Bestehenden und den Zukunftsthemen spannt. Das Management mit an Bord zu haben, war elementar. Der Vertriebsleiter Österreich hat bei der Kick-off-Veranstaltung die Auftaktworte gesprochen, so dass für alle deutlich wurde, dass das Management dieses Projekt voll und ganz unterstützt. Entscheidend war auch, dass die Teilnahme an der Digi Academy freiwillig war. Niemand wurde gezwungen. So kamen diejenigen, die wirklich Spaß daran haben, dabei zu sein.
Glauben Sie, dass sich die Digi Academy auf die Performance im Vertrieb auswirken wird?
Die Life Hacks aus der Digi Academy tragen sicher dazu bei, den Arbeitsalltag zu erleichtern, effizienter zu arbeiten und mehr Freude an digitalen Tools zu bekommen. All das wirkt sich auch auf den Vertrieb und die Kontakte mit den Kundeninnen und Kunden aus.
Interview: Bettina Geuenich