Fronius International entwickelt Methoden zur Kontrolle und Steuerung von Energie für Schweißtechnik, Photovoltaik und Batterieladetechnik. Weltweit ist das Unternehmen in 36 Ländern aktiv und beschäftigt rund 7.924 Mitarbeitende, davon 5.461 in Österreich (Stand Juni 2024). Wie die internationale Personalarbeit funktioniert und die Balance zwischen globalen und lokalen Anforderungen gelingt, beschreibt Beate Rübig, Head of HR Global Support bei Fronius, im Interview.
Frau Rübig, wie wichtig ist die internationale Ausrichtung für Fronius?
Die internationale Ausrichtung ist für uns ganz wesentlich. Denn unsere Exportrate beträgt 80 Prozent. Da sich die internationalen Märkte unserer Geschäftsbereiche stark unterscheiden, ist es für uns sehr wichtig, mit lokalem Know-how vor Ort präsent zu sein. Aktuell sind wir in 36 Ländern mit Vertriebs-, Service- oder Produktions-Standorten vertreten. Die Töchter haben eine lokale Administration, vielfach auch ein lokales Lager. In einigen Ländern haben wir aber auch nur Sales-Büros mit ein oder zwei Mitarbeitenden. In Österreich startete Fronius im Jahr 1945. Hier sind nach wie vor unsere größten Produktionsstandorte. Zusätzlich dazu haben wir in Tschechien nahe der Grenze zu Österreich eine Produktion, die uns mit Komponenten beliefert.
Wie ist die internationale Personalarbeit bei Ihnen organisiert?
Wir beschäftigen weltweit 140 HR-Mitarbeitende, davon 80 in Österreich. Darunter sind HR-Generalist:innen sowie Verantwortliche für HR Global, HR Development, Personalverrechnung und die Lehrlingsausbildung. Unsere Töchter sind sehr unterschiedlich. In Norwegen haben wir beispielsweise 10 Mitarbeitende, darunter eine Halbtagskraft für HR. In Tschechien, wo wir 700 Mitarbeitende beschäftigen, unterstützen uns zwölf HR-Verantwortliche. Wir verlassen uns vor allem bei den arbeitsrechtlichen Themen auf lokale HR-Kolleginnen und -Kollegen. Im Gegenzug unterstützen wir in anderen Fragen. Eine Mitarbeiterin aus dem HR Development steht den Tochterfirmen bei der Personal- und Führungskräfteentwicklung beratend zur Seite. Zusätzlich dazu haben wir den Bereich HR Global Support, den ich leite. Wir sind die HR-Steuerung des Unternehmens, sorgen für einheitliche Policies und begleiten die Geschäftsführungen bei ihren täglichen HR-Herausforderungen.
Welche sind das zum Beispiel?
Wenn sich zum Beispiel ein Geschäftsführer von einer Führungskraft trennen will, beraten wir in diesem Prozess. Das gilt auch für das Lösen von Konflikten in Teams. In der internationalen Zusammenarbeit entstehen immer wieder interkulturelle Probleme oder Missverständnisse. Wir unterstützen in solchen Fällen bei Bedarf mit einer Mediation und versuchen, das Bewusstsein für unterschiedliche Kulturen zu schärfen – in direkten Gesprächen oder in Trainings.
Das gilt übrigens auch für interkulturelle Probleme, die in Österreich auftreten. Denn auch hier haben wir eine sehr internationale Belegschaft. Die politischen Auseinandersetzungen weltweit erleben wir im Mikrokosmos bei uns auf dem Shopfloor. Daher haben wir zwei Social Coaches angestellt, die in der Produktion proaktiv auf die Mitarbeitenden zugehen, wenn es zu Konflikten kommt. Sie gehen dazwischen und unterstützen als Mediatoren.
Auch in der internationalen Personalarbeit kann es zu Reibungen kommen. Wie sorgen Sie dafür, dass alle HR-Verantwortlichen an einem Strang ziehen?
Wir versuchen, möglichst wenig mit E-Mail zu kommunizieren. Stattdessen besuchen wir die Tochterfirmen regelmäßig und haben mit jedem Geschäftsführer und jedem HR-Mitarbeiter mindestens einmal im Monat ein Regelmeeting. Jedes Land hat einen eigenen HR-Betreuer. Wir haben also im Team Spezialisten für bestimmte Länder und Regionen. In der Kommunikation legen wir Wert auf persönlichen Kontakt und Vertrauensaufbau. Denn wir erwarten zwar einerseits, dass unsere Richtlinien international gelebt werden. Aber wir möchten auch, dass unsere lokalen HR-Mitarbeiter sagen, wenn irgendetwas lokal nicht zu den globalen Policies passt, damit wir nach Lösungen suchen können.
Was sind die größten Herausforderungen in diesem Prozess?
Die kulturellen Unterschiede. Es gibt Kulturen, in denen die Akzeptanz globaler Richtlinien nicht so hoch ist wie im deutschsprachigen Raum. In Indien und Südamerika muss man viel Vorarbeit leisten, um Regelungen durchzusetzen. Die Mitarbeitenden in Indien sind zum Beispiel tendenziell stärker auf eine Führungskraft fokussiert, während die internationale Zusammenarbeit im Team nicht so üblich ist. In Südamerika herrscht wiederum oft eine Art „gelenktes Chaos“, das auch zum Ziel führt, aber oft erst auf den letzten Drücker. Diese Unterschiede gibt es. Daher ist es wichtig, die Leute gut abzuholen und die richtigen Ansprechpartner:innen für diese Regionen zu finden.
Gibt es eine einheitliche Unternehmenskultur bei Fronius?
Ja, wir nennen sie den Fronius Weg. Er basiert auf 5 Werten, nach denen wir uns richten: Nachhaltigkeit, Innovation, Qualitätsbewusstsein, Wirtschaftlichkeit und Gemeinschaft. Unsere Unternehmens- und Vertriebsstrategien nehmen darauf Bezug, die Werte sind also im Unternehmen sehr präsent. Wir legen bei unseren Produkten großen Wert auf Innovation, Nachhaltigkeit, Qualität und Service. Das zeigt sich auch daran, dass wir möglichst viel reparieren und Komponenten nicht einfach entsorgen, um den Lebenszyklus der Produkte zu erhöhen.
Den Wert der Gemeinschaft pflegen wir zum Beispiel, indem wir die Töchterfirmen in die Produktentwicklung einbinden. Es gibt eigene Entwicklerteams in den USA und Frankreich. Wir haben auch eine eigene Corporate-Fashion-Linie mit Freizeit- und Berufskleidung, die von den Mitarbeitenden stark nachgefragt wird. Diese Modelinie wurde mit einer Modedesignerin entwickelt. Das Gemeinschaftsgefühl stärkt auch der Firmenlauf am Standort in Wels, bei dem wir regelmäßig antreten – mit Lauf-Shirts von Fronius, die extra für diesen Event angefertigt werden.
Wie finden Sie Mitarbeitende für die Länder, in denen Sie aktiv sind?
Wir suchen primär gut ausgebildete Techniker – und es ist fast unabhängig vom Land schwierig, diese Positionen zu besetzen. In Deutschland und Österreich profitieren wir aber sehr vom dualen Bildungssystem, über das wir unsere zukünftigen Mitarbeitenden ausbilden. In den USA haben wir ein Trainee-Programm für Universitätsabsolventen, die sich bei uns vom Techniker bis zum Service-Leiter entwickeln können. Als Hochschulabsolventen bringen sie aber auch hohe Erwartungen mit, die sich nicht immer abbilden lassen. Indien und Mexiko sind gute Märkte, um Techniker:innen zu finden. Besonders schwer ist es in Osteuropa und auch in England. Für bestimmte Positionen arbeiten wir mit spezialisierten Recruiting-Agenturen zusammen, die in den jeweiligen Märkten gut vernetzt sind.
Welche Rolle spielen internationale Entsendungen in Ihrem Unternehmen?
Wir entsenden häufig Mitarbeiter in unsere Tochterfirmen, vor allem bei Firmengründungen, um den Start zu erleichtern. Ich war zum Beispiel für vier Jahre als Geschäftsführerin in Großbritannien. Auch in den USA haben wir viele Entsendete. Die Geschäftsführerin von Fronius in China ist eine Chinesin, die viele Jahr in Österreich gelebt hat und auch mit einem Österreicher verheiratet ist. Unsere Expats sind Kulturträger, die unsere Firmenkultur in die Tochterfirmen bringen. Aber sie kommen ja auch irgendwann zurück und können dann hier in Österreich das Bewusstsein für kulturelle Besonderheiten oder lokale Bedürfnisse schärfen.
Interview: Bettina Geuenich
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